Gesamtschule in Büttgen Zeitzeugin berichtet aus der Hölle

Büttgen. · Edith Bader-Devries überlebte das KZ Theresienstadt. In Büttgen erzählte sie ihre Geschichte.

 Edith Bader-Devries ist sprach im Foyer der Gesamtschule Büttgen über ihre Kindheit und das, was ihr im KZ widerfuhr. Carl-Wilhelm Bienefeld (l.) stellte den Kontakt her.

Edith Bader-Devries ist sprach im Foyer der Gesamtschule Büttgen über ihre Kindheit und das, was ihr im KZ widerfuhr. Carl-Wilhelm Bienefeld (l.) stellte den Kontakt her.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Das Foyer der Gesamtschule Büttgen war bis auf den letzten Platz mit Schülern der Jahrgangsstufen neun und zehn besetzt. Trotzdem herrschte gespannte Stille. Das schaffte eine kleine weißhaarige Dame: Edith Bader-Devries erzählte, wie sie als Sechsjährige gemeinsam mit ihren Eltern von ihrem Geburtsort Weeze in das Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt deportiert wurde. Die jüdische Familie überlebte, aber Edith Bader-Devries hat fast vierzig Jahre gebraucht, um über diese Zeit sprechen zu können. Zu tief saß das Erlebte. Sie weiß: Sie muss ihre Geschichte jungen Menschen erzählen, um „Unverbesserliche“ erreichen zu können. Und sie will jüdisches Leben bekannt machen.

Sie spricht einen Tag nach Anne Franks 90. Geburtstag: Die beiden haben eine gemeinsame Großtante. Anne Frank wurde nur 15 Jahre alt. Edith Bader-Devries ist 84 Jahre und eine der letzten Zeitzeugen der Nazi-Zeit. Dabei stellte sie gleich zu Beginn klar: „Alle Menschen sind gleich – ich liebe alle, die hier sitzen!“ Denn die Liebe und der Glaube an Gott überwinde alles Böse, seinen „Feinden“ soll man freundlich begegnen. Das entlocke ihnen ein Lächeln, riet Edith Bader-Devries den Jugendlichen.

Im Gespräch mit Carl-Wilhelm Bienefeld, der den Kontakt über das jüdische Zentrum in Neuss hergestellt hatte, ließ sie anhand von Bildern ihre unbeschwerte Kindheit noch einmal lebendig werden. Diese Kindheit endete abrupt mit der Deportation am 25. Juli 1942. Die Eltern gaukelten ihr eine Reise vor. Die kleine Edith packte mehrere Puppen ein. Sie gingen als erstes im Zug kaputt. „Ich suchte im KZ Theresienstadt überall nach einer Puppe“, sagte sie. Aber dann hatte sie „Wichtigeres zu tun“: das Überleben ihrer Eltern zu sichern. Den ganzen Tag suchte sie nach Essbarem. Die Eltern hielten ihr Kind versteckt. Eigentlich wäre Klein-Edith lieber zu den anderen Kindern ins Heim gekommen, denn dort hätte sie spielen und malen können. Aber sie wäre später vergast worden – die Mutter ahnte das.

Edith Bader schlief mit 38 anderen Menschen im Raum in Kleidern auf dem Boden, Betten gab es nicht. Über Tote stieg man einfach hinweg – das war „normal“, erinnert sie sich. Sie stahl Kartoffeln aus einem Keller der SS, wo ihr ein SS-Mann sogar Gemüse schenkte: „Es gab auch Menschen, die menschlich waren“, schildert sie. Bader-Devries versorgte den Vater damit, der drei Mal fast an Hungertyphus gestorben wäre. Aber er war ein Mann großer innerer Stärke. „Die Juden sind durch das rote Meer gekommen, die kommen auch durch diese braune Scheiße“, sagte er schon als junger Mann und büßte dafür im Zuchthaus. Doch er ließ sich nicht brechen, trug seinen Judenstern voller Stolz. Ihren eigenen hat Edith Bader noch und steckte ihn sich vor den Schülern an – eine berührende Szene.

Mit leiser Stimme berichtet sie von ihrem Missbrauch im KZ und dass sie sich niemandem anvertrauen konnte. Ein erneuter Missbrauch blieb ihre größte Angst, ebenso wie der mögliche Tod der Eltern. Am Ende schwiegen die beeindruckten Schüler. Schließlich stellten sie doch einige Fragen. Und am Schluss gab es persönliche Gespräche mit der alten Dame.