Interview Christian Bommers „Ich muss zum Wohle aller handeln“

Meerbusch · Zum Jahreswechsel zieht Bommers Bilanz und erklärt, warum es nicht immer einfach ist, dass ihn viele persönlich kennen.

Bürgermeister Christian Bommers ist stolz darauf, dass die Impfquote der Verwaltung bei über 96 Prozent liegt.

Foto: Stadt Meerbusch

Der Meerbuscher Bürgermeister Christian Bommers blickt auf sein erstes Jahr im Amt zurück und nennt wichtige Ziele für die Stadt.

Kurz und knapp vorweg: Wie blicken Sie auf Ihr erstes Jahr als Bürgermeister zurück?

Christian Bommers: Eine aufregende, anspruchsvolle Zeit. Es ist die erwartet herausfordernde Aufgabe, die mir im Dialog mit allen Beteiligten auch sehr viel Freude gemacht hat.

Das Interkommunale Gewerbegebiet kommt nicht, der weitere Ausbau der K9n ist fraglich, das neue Wohngebiet Kalverdonk fällt möglicherweise doch erst einmal etwas kleiner aus. Hat sich Meerbusch zu viel vorgenommen?

Bommers: Nein, beide genannten Projekte beschäftigen Politik und Verwaltung bekanntlich schon einige Jahre. Der erste Bauabschnitt der K9n von der Forststraße bis zum Bundenrott wird in Kürze begonnen und dann bald spürbare Entlastung für die Straße Am Strümper Busch bringen. Auch die Erreichbarkeit des Meerbusch-Gymnasiums wird sich durch den Anschluss verbessern. Wie es danach mit der K9n weitergeht, wird sich zeigen.

Dass das Interkommunale Gewerbegebiet an der A44 nicht kommt, ist nach langem Streit nun klar.

Bommers: Die politische Mehrheit für ein großes Gemeinschaftsprojekt mit Krefeld war ohnehin von Anfang an hauchdünn, der Widerstand in der Bevölkerung groß. Der entsprechende Ratsbeschluss wurde jetzt aufgehoben. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass wir in Meerbusch dringend Gewerbeflächen brauchen, um auch in Zukunft die städtische Daseinsvorsorge zu finanzieren. Dazu sind Gewerbesteuereinnahmen unerlässlich. Jetzt gilt es, Alternativen zu finden, die Meerbusch in Eigenregie entwickeln kann. Der Rat hat die Stadtverwaltung in der letzten Sitzung beauftragt, diese Alternativen zu erarbeiten.

Wie sieht es beim Thema Neubaugebiet in Osterath aus?

Bommers: Bezogen auf das neue Wohngebiet Kalverdonk habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, dass ich die ursprünglich geplante Fläche zu groß finde. 37 Hektar in der seinerzeit angegebenen Zeit zu entwickeln halte ich für unrealistisch. Gleichwohl sehe ich den Bedarf an Wohnraum in unserer Stadt – auch von innen heraus. Im Herbst sind wir daher mit einer breit aufgestellten Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet, die wir im Januar, zunächst nur digital, weiterführen werden.

Hat sich durch Ihr Amt der Blick auf Politik und das Leben an sich geändert? Wenn ja, wie?

Bommers: Der Blick auf die Kommunalpolitik hat sich seit Amtsantritt nicht geändert. Auch schon vorher hatte ich größten Respekt für den Einsatz der ehrenamtlich aktiven Damen und Herren. Der Zeitaufwand ist schon enorm und mancher Weg im Ringen um die beste Lösung auch sehr mühsam. Unsere Demokratie braucht dieses Engagement. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, welches uns viele Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort bietet. Insgesamt versuche ich, trotz der schon großen Veränderung, so weiter zu leben wie zuvor. Natürlich spürt man, nun eine öffentliche Person zu sein und häufiger erkannt und angesprochen zu werden, das hat meine Familie und mich aber bisher nicht davon abgehalten, unsere Freizeit wie gewohnt zu gestalten.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit den Fraktionen?

Bommers: Ich denke, wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Ich persönlich lege sehr großen Wert auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung, die auf Offenheit und guter Kommunikation basiert. So entsteht mehr gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Hier gilt es auch, einmal neue Wege zu gehen. Vor der offiziellen Einbringung des Haushalts habe ich gemeinsam mit unserem Kämmerer in einer lockeren, geselligen Ratsrunde die Haushaltssituation der Stadt und die auf uns wartenden Risiken vorgestellt. Damit haben wir auch die Bitte verbunden, angesichts der Finanzlage Zurückhaltung und Vorsicht bei eigenen, möglicherweise kostspieligen politischen Projekten zu üben. Dieses neue Format ist durchweg sehr positiv aufgenommen worden. Auch in der letzten Ratssitzung des Jahres am 16. Dezember habe ich eine sehr konstruktive, angenehme Diskussionsatmosphäre festgestellt. Das hat auch mit Wertschätzung und gegenseitigem Respekt zu tun. So soll es sein.

Sie sind sehr bekannt in der Stadt Meerbusch, und Sie werden von vielen mit „Hallo Christian“ begrüßt. Ist diese Nähe als Bürgermeister manchmal auch ein
Problem?

Bommers: Ja, es kann hier und da zum Problem werden, wenn die Nähe zu groß wird. Das weckt bisweilen eine Erwartungshaltung, die ich nicht erfüllen kann. Die Devise ‚Das macht der schon für mich, den kenn‘ ich gut!‘ – kann und darf nicht der Maßstab sein. Ich habe mich schon vor meinem Amtsantritt als Bürgermeister stark öffentlich in meinem Heimatstadtteil Osterath engagiert. Jetzt aber will und muss ich ein Bürgermeister für alle Stadtteile sein und zum Wohle aller meine Prioritäten setzen. Es immer allen recht machen zu können, ist bekanntlich eine illusorische Vorstellung. Insgesamt aber zeigt das ja auch die Verbundenheit zu meiner Heimatstadt und den Menschen, die hier leben. Von daher also etwas Positives.

Was war 2021 das Erfreulichste?

Bommers: Natürlich hat die Corona-Pandemie auch das vergangene Jahr überschattet, beeinträchtigt und belastet. Aber auch hier gibt es erfreuliche Facetten. So haben wir im November und Dezember eine sehr erfolgreiche Impfkampagne geführt und mit dem Rhein-Kreis Neuss und ortsansässigen Ärzten ein gutes Impfangebot bei uns vor Ort aufgebaut. Die Menschen in unserer Stadt haben das honoriert und sehr rege davon Gebrauch gemacht. Gefreut hat mich auch die tolle Impfquote in unserer Stadtverwaltung. 96,3 Prozent unserer Mitarbeitenden vom Beigeordneten bis zum Hausmeister sind vollständig geimpft. Das ist auch das Ergebnis guter Aufklärungsarbeit, und es zeugt von Solidarität und Verantwortungsgefühl in der Belegschaft.

Solidarität zeigten die Meerbuscher auch in der Flutkatastrophe.

Bommers: Ja, die Zerstörungsgewalt und die große Not, die die Flut ausgelöst hat, war schockierend. Ermutigend wirkte dabei die phänomenale Hilfsbereitschaft, die den Menschen vor allem in den Flutgebieten der Eifel entgegengebracht wurde. Als Stadt konnten wir ebenfalls einen kleinen Teil beitragen. Wir haben zwei Feuerwehrwagen an Löschzüge in der Eifel spenden können, die mehrere Fahrzeuge durch die Flut verloren hatten. Aus der Meerbuscher Bevölkerung gingen Sachspendentransporte ins Flutgebiet. Anfang Januar werden Möbel aus unseren Grundschulen unter anderem ins Ahrtal geliefert. All’ dies sind wichtige menschliche Signale, die Hoffnung machen.

Was war 2021 für Sie das niederschmetterndste Ereignis in Meerbusch?

Bommers: Eine herbe Enttäuschung war für mich die Nachricht vom Baustopp an der Bahnunterführung in Osterath. An diesem Jahrhundertprojekt hängt die gesamte Weiterentwicklung des Stadtteils. Wir haben deshalb sofort bis in die Verkehrsministerien von Bund und Land alle Hebel in Bewegung gesetzt und über alle möglichen Kanäle unseren Unmut geäußert. Ich hoffe, dass sich hier im neuen Jahr trotz aller logistischen Probleme der Deutschen Bahn noch etwas bewegen lässt.

Eine Fee gibt Ihnen drei Wünsche frei für das kommende Jahr. Was wünschen Sie sich?

Bommers: Vor allem würde ich mir – wie wir alle – das sofortige Ende der Pandemie wünschen. Ich wünschte mir die Rückkehr in eine weniger bedrückende, unbeschwertere Zeit mit unseren traditionellen Festen und vielen schönen zwischenmenschlichen Begegnungen. Als zweites würde ich mir wünschen, dass wir die vielen großen Projekte, die wir als Stadt zu bewältigen haben, zu einem erfolgreichen Abschluss bringen oder weiter vorantreiben. Dazu gehören unser gewaltiges Schulausbauprogramm ebenso wie die Digitalisierung, die Stadtentwicklung oder eben die Vollendung der Bahnunterführung in Osterath. Den dritten Wunsch teile ich wahrscheinlich mit allen Meerbuscherinnen und Meerbuschern: Gesundheit und Frieden, ein bisschen mehr Miteinander statt Gegeneinander, ein bisschen mehr Gelassenheit und Wohlergehen für unsere Stadt. Wie man weiß, sind gute Feen selten und nicht alle Wünsche werden wahr – aber mit Mut, Zuversicht und positivem
Sinn kann man durchaus das eine oder andere mehr
erreichen oder zum Guten wenden.