Der Konverter-Streit mit Kaarst eskaliert
Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage hat den Schulterschluss gekündigt. Die Kaarster Verwaltung reagiert „mit Befremden“.
Im Verfahren zur Standortsuche für den umstrittenen Doppelstromkonverter sieht Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage keine Alternative mehr. Mit einem erneuten Schreiben an den Regionalrat, in dem sie das Gremium auffordert, die von Übertragungsnetzbetreiber Amprion favorisierte Dreiecksfläche in Kaarst aus der Kiesabbauplanung herauszunehmen und damit als Konverterstandort zu ermöglichen, kündigt Meerbuschs Verwaltungschefin den vor zwei Wochen verkündeten Schulterschluss mit der Stadt Kaarst. Der Grund: Nicht nur Amprion, auch Meerbusch läuft die Zeit davon.
„Fakt ist: Bis zum Herbst braucht der Übertragungsnetzbetreiber eine Entscheidung über den Standort. Das hat Amprion-Sprecher Thomas Wiede bei der außerordentlichen Ratssitzung in der Realschule Osterath vor zwei Wochen sehr deutlich gesagt. Im Notfall ließe sich die Entscheidung bis Ende des Jahres hinauszögern. 80 Prozent des Projektes könne Amprion unabhängig vom Standort planen, heißt es. Für den Rest brauche aber man die Ortslage, damit sich die Hersteller auf die Gegebenheiten einstellen können.
„In den vergangenen drei Jahren sind mehr als 50 Standortbereiche auf ihre Eignung geprüft worden“, sagt Mielke-Westerlage. „Dass man angesichts des fortgeschrittenen Verfahrens jetzt noch zu einem anderen Standort als den bisher gesehenen kommt, halte ich für ausgeschlossen.“ Heißt: Am Ende wird es Kaarst. Oder Osterath. „Wenn wir nichts unternehmen, wird es Osterath“, sagt die Bürgermeisterin. Einen Termin für das in Aussicht gestellt Gespräch mit dem NRW-Wirtschaftsministerium gebe es noch nicht.
Nach der Ratssitzung Ende August hat die Stadt Meerbusch die Lage noch einmal juristisch prüfen lassen. Das Ergebnis teilt Mielke-Westerlage dem Regionalrat jetzt in ihrem Schreiben mit. Darin fordert die Verwaltungschefin die Ratsmitglieder unter anderem auf, das Kriterium „Nähe zur Wohnbebauung“ in die Abwägung einzubeziehen.
Auf der Kaarster Dreiecksfläche liege der maximale Abstand des Konverters zur geschlossenen Wohnbebauung bei 1300 Metern, in Osterath bei 300 Metern, sagt Mielke-Westerlage. „Rein rechtlich gesehen sind 300 Meter zwar genug, weil es bislang noch keine gesetzlichen Abstandsregelungen für solche Anlagen gibt. Mir aber reichen 300 Meter definitiv nicht aus.“ Der Konverter, sagt Mielke-Westerlage, habe eine zentrale Funktion im Netz und müsse wie Großkraftwerke mit einem Schutzstreifen von mindestens 400 Metern umgeben werden. Angesichts der Bedeutung des „Schutzguts Mensch“ und des Projekts für die Energiewende sei es jetzt Aufgabe des Regionalrats, eine Realisierung des Standorts „Dreiecksfläche“ zu ermöglichen, sagt Meerbuschs Bürgermeisterin. „Die Bundesnetzagentur hat in der Ratssitzung deutlichgemacht, dass sie sich im Planfeststellungsverfahren nicht über die Landesplanung hinwegsetzen wird.“
Derweil sieht die Stadt Kaarst den Meerbuscher Vorstoß kritisch. Gerade vor dem Hintergrund des abgestimmten Schulterschlusses nehme man das Schreiben der Meerbuscher Verwaltungschefin an den Regionalrat „mit Befremden zur Kenntnis“, heißt es. „Erstens hilft dieses unverhohlene Kirchturm-Denken in der Sache nicht, und wir waren bereits einen Schritt weiter“, sagt die Kaarster Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus. „Keiner Kommune steht es zu, über die vertretbare Belastung des Nachbarn zu urteilen.“ Zweitens, sagt Nienhaus, sei es sachlich falsch, dass eine bloße Abstimmung im Regionalrat eine unmittelbare Streichung der Auskiesungsfläche im Regionalplan zur Folge hätte.