Die Versorgungslücke ist eklatant
Durch den Wegfall des Zivildienstes fehlen den Institutionen die Hilfskräfte.
Meerbusch. 13 Jahre Schule, das Abitur endlich in der Tasche und jetzt das Bangen um einen Studienplatz. Denn der Sturm auf die Unis ist dieses Jahr ungleich größer. Grund: Der Zivildienst ist seit diesem Jahr abgeschafft.
Was für die männlichen Abiturienten einen früheren Einstieg ins Berufsleben bedeutet, sorgt jedoch für eine angespannte Atmosphäre in den sozialen Einrichtungen und Kliniken von Meerbusch. In sieben Meerbuscher Institutionen fallen dieses Jahr insgesamt 47 Zivildienstleistende weg.
Geplant war, die Hilfskräfte durch den Bundesfreiwilligendienst zu ersetzen. Das traurige Fazit für Meerbusch zeigt jedoch, dass sich bisher lediglich sechs Freiwillige gefunden haben, von denen zwei noch keinen Vertrag unterschrieben haben. Die vier anderen Bewerber haben sich beim Verein für Behinderte verpflichtet und besetzen dort vier von 15 freien Stellen.
„Durch die Anlaufprobleme beim Bundesfreiwilligendienst ist eine riesige Lücke in der Patientenversorgung entstanden“, sagt Anja Reiners, Pflegedirektorin des Rheinischen Rheuma-Zentrums in Lank. „Seit Juni muss unser Zentrum ohne die bisher fünf Zivildienstleistenden auskommen. Das bedeutet für uns zum Beispiel einen kompletten Ausfall des Hol- und Bringdienstes im Haus.“
Auch im Haus Hildegundis seien durch die dort fünf fehlenden Zivis wesentliche Probleme entstanden, wie der Caritas-Geschäftsführer im Rhein-Kreis Neuss, Hans Reisdorf, bestätigt. Die Gründe für das Scheitern des Projekts sieht Anja Reiners vor allem in der fehlenden Transparenz des neuen Systems: „Kaum einer weiß wirklich über die Bedingungen Bescheid. Man erfährt eigentlich nur das, was bisher in den Medien berichtet wurde.“
Um sich ein besseres Bild von der Situation zu machen, habe Reiners mit den Lanker Pfadfindern gesprochen. „Es hat sich herausgestellt, dass viele Jugendliche einfach kein Jahr mehr verlieren wollen und möglichst schnell ins Studium einsteigen möchten. Ich glaube, dass auch eine bessere Bezahlung der Freiwilligen nicht mehr junge Menschen locken würde.“
Die derzeitigen Aufwandsentschädigungen sehen einen Maximalbetrag von monatlich 330 Euro Taschengeld plus Versicherungsbeiträge und Wohngeld vor. Der Verein für Behinderte zahlt beispielsweise ein Taschengeld von 150 Euro.
Trotzdem ist Martin Schicht, Pressesprecher vom Verbund katholischer Kliniken, zu dem auch die St. Mauritius-Therapieklinik in Osterath gehört, zuversichtlich: „Wir suchen Ersatz für insgesamt zehn Zivildienstleistende. Bisher haben wir zwar nur eine Bewerbung, aber ich glaube, dass wir bis September mindestens die Hälfte der Stellen besetzen können.“