Meerbusch Historisch zum Weltfrauentag Hildegunde – die Frau, die Meerbusch gründete
Meerbusch · Internationaler Frauentag: Die Gräfin von Meer war eine willensstarke Frau, die im 12. Jahrhundert die Zügel nicht aus der Hand gab.
Hildegunde von Ahr und Meer ist die bedeutendste Frauengestalt und sicherlich die prägendste historische Persönlichkeit der Meerbuscher Geschichte. Niemand hat mehr bewegt, mehr Spuren hinterlassen und länger gewirkt als die Herrin der Burg Meer – und kaum eine Frauengestalt wurde so viel diskutiert.
Als Hildegunde von Meer um 1110 geboren wurde, war sie nichts besonderes, schließlich dürften ihre Eltern noch auf einen Stammhalter gehofft haben, der sich aber dann doch nicht einstellte. Der durchaus beachtliche Machtbereich der Edelherren von Liedberg-Meer wurde also unter Hildegunde und ihrer Schwester aufgeteilt, die damit zunächst nur attraktive Ehepartner für aufstrebende Grafensöhne waren. Dass der Erbe des Hauses Are Hildegunde als Erstgeborene zur Frau nahm, spricht für die Bedeutung ihres Erbes. Zur bedeutenden historischen Persönlichkeit machen die Edelfrau allerdings erst zwei Schicksalsschläge: Zuerst starb ihr Mann Lothar (um 1140) und dann ihr Sohn Dietrich (1133-1158). Da die beiden anderen Kinder in die Klöster Dünnwald und Kappenberg eingetreten waren, konnten sie das weltliche Erbe nicht mehr antreten. Das verhinderte nicht nur den Aufstieg des Meerer Territoriums zur Landesherrschaft, sondern machte Hildegunde auch zur potenziellen Beute ihrer Konkurrenten. Die Herrschaften Liedberg und Seist-Meer (später: Freie Herrlichkeit Nierst) hätten sowohl dem Grafen von Kleve als auch dem Kölner Erzbischof im Ringen um das Land Linn einen bedeutenden Vorsprung verschafft, aber auch ihr Schwager und das Stift Kaiserswerth wollten hier fußfassen.
In dieser verzwickten und handfesten Situation verzagt Hildegunde allerdings nicht, sondern zeigt den hohen Herren vielmehr, wie Frau sich erfolgreich behaupten kann, und schlägt allen ein Schnippchen. Was nun beginnt, ist ein echter Mittelalter-Thriller. Ihr Schwager Gerhard von Randerath bricht einen Streit um das Erbe der beiden Meerer Töchter vom Zaun, den Hildegunde lange abwehren, aber nicht gewinnen kann. Die bedrängte Dame macht sich also ganz beherzt auf den Weg nach Italien, wo sie den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel trifft, der dort für Kaiser und Reich Krieg gegen die lombardischen Städte führt. Dem schwatzt sie bedeutende Reliquien ab, die der Kirchenfürst zuvor aus dem Mailänder Dom zusammen mit den Heiligen Drei Königen geraubt hatte: Armknochen der Heiligen Felix und Nabor. Die sind wiederum Teil eines waschechten Kuhhandels: Rainald verzichtet darauf, Hildegunde zu bedrängen und unterstützt sie künftig, weil diese ihm den indirekten Einfluss auf ihr Erbe verspricht. Der Plan ist genial. So wird 1164 auch der Erbstreit beigelegt.
Auf dieser Basis kann die findige Gräfin 1166 endlich das Kloster stiften, dem sie ihren weltlichen Besitz überträgt und dessen Leiterin sie wird. Übrigens führte Hildegunde zeitlebens den Meerer Grafentitel, erst ihre Tochter wird als Meisterin, so der offizielle Titel der geistlichen Klosterchefin, bezeichnet.
Das Kloster selbst schließt sich dem mit der Familie Are eng verbundenen Prämonstratenserorden an und untersteht fortan dem einflussreichen Kloster Steinfeld in der Eifel. Und auch Sohn Hermann kann als Propst des Prämonstratenserklosters Kappenberg seinen Einfluss zugunsten von Mutter und Schwester geltend machen. Als Altarvogt und damit Schutzherren setzt Hildegunde zudem die Kölner Kirche, also Rainald von Dassel und dessen Nachfolger ein. Diese sind nun keine Konkurrenten mehr, sondern werden zu verlässlichen Beschützern. Die wiederum erhalten so mittelbar die Vormachtstellung im Land Linn, das ihnen später ganz zufällt, alle anderen haben das Nachsehen.
Aus dem Kloster entwickelt sich nicht nur ein geistlicher Mittelpunkt und Versorgungsinstitut für Töchter des rheinischen Adels, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsbetrieb und ein lokales Herrschaftszentrum, an dessen Spitze über 600 Jahre lang Frauen standen. Offiziell waren zwar Steinfelder Mönche als Kapläne und Prioren vor Ort und erledigten das Tagesgeschäft, aber die Meerer Meisterinnen ließen kaum Zweifel daran, dass sie es waren, die selbstbewusst das Sagen hatten. Spiegel dieses Selbstbewusstseins sind zahlreiche Urkunden mit der eindeutigen Titulatur der Adelsfrauen, die sich zuletzt auch Äbtissinnen nannten.
Auch nach der Klosteraufhebung 1802 wirkte Hildegunde, die unter den Prämonstratensern als Venerabile – verehrungswürdig – bezeichnet wurde, nach. Seit 2010 gibt es die Pfarre Selige Hildegundis von Meer und zwei Straßen im Stadtgebiet und eine in Köln-Dünnwald sind nach ihr benannt, außerdem der Seniorenstift in Osterath. Dort und in Büderich werden ihre Reliquien verehrt. Zur Stadtpatronin hat es trotz zweier Anläufe nicht gereicht.