Interview mit Berna Giousouf „Bei uns war Politik ein großes Thema“

Jung, weiblich, migrantisch: Mit ihren 22 Jahren möchte Berna Giuosouf frischen Wind in den Stadtrat bringen.

Berna Giousouf freut sich auf ihre Amtszeit im Rat. Sie möchte sich vor allem für die Digitalisierung einsetzen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Frau Giousouf, morgen findet die erste Ratssitzung statt. Sind Sie schon aufgeregt?

Berna Giousouf: Um ehrlich zu sein schon, ich war ja vorher noch nie dabei. Ich bereite mich gerade ein wenig darauf vor, indem ich zum Beispiel alte Bauanträge für den Bauausschuss durchlese. Das sind oft lange Prozedere, die über zehn Jahre zurückgehen. Da muss ich erst mal reinkommen, das braucht Erfahrung.

Sie sind mit Ihren 22 Jahren das jüngste Ratsmitglied. Sehen Sie das als Nachteil? 

Giousouf: Nein, auf keinen Fall. Ich habe bis jetzt auch nie das Gefühl bekommen, dass ich zu jung oder zu unerfahren sei, ganz im Gegenteil. Meine Fraktionskollegen fragen immer nach, ob ich alles verstanden habe oder ob ich Hilfe brauche. Alle unterstützen mich und das ist ein tolles Gefühl. Deswegen freue ich mich sehr auf die Ratsarbeit.

Haben Sie sich schon immer für Politik interessiert?

Giousouf: Bei uns zuhause war Politik ein großes Thema. Mein Vater ist Grieche, gehört aber zu einer türkischstämmigen Minderheit. Meine Mutter ist Türkin und gehört zu einer Minderheit aus dem Kaukasus. Wir haben immer viel diskutiert, es ging oft um den Zypernkonflikt oder andere außenpolitische Themen. Stellung zu beziehen liegt mir also in gewisser Weise im Blut. Aktiv engagiere ich mich in der Politik seit 2017. Die Flüchtlingskrise war damals der ausschlaggebende Punkt für mich. Die Turnhalle unserer Schule wurde damals zu einem Flüchtlingsheim umfunktioniert, da habe ich auch nach meinem Abi noch Deutschunterricht gegeben. Ich weiß noch, dass sich bei mir ein Schalter im Kopf umgelegt hat und ich gedacht habe: So Berna, die Bundespolitik ist in deiner kleinen Kommune angekommen, jetzt ist es an der Zeit, mitzumachen.

Sie haben sich für die CDU entschieden. Eine ungewöhnliche Wahl für einen jungen Menschen, oder?

Giousouf: Man hat schon das Gefühl, dass die meisten jungen Menschen eher zu den Grünen oder Linken gehen als zur CDU. Die Realität sieht aber anders aus: Die Junge Union zählt mit die meisten Mitglieder europaweit. Ich habe mich vor meiner Entscheidung umgeschaut und informiert, aber schnell festgestellt, dass die CDU und die Junge Union am ehesten mit meinen Werten übereinstimmen. Besonders Merkels Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik unterstütze ich. Aber viel wichtiger finde ich, was eine Partei auf Kommunalebene erreicht hat und das ist in Meerbusch eine ganze Menge. Was wir als CDU meiner Meinung nach noch lernen müssen, ist die Präsentation nach außen. Umweltpolitik steht zum Beispiel ganz oben auf unserer Agenda, ich war mit Christian Bommers auf Friday for Future-Demonstrationen. Ich finde es schade, dass man Umweltpolitik nicht mit der CDU verbindet, obwohl sie uns so wichtig ist. Das müssen wir besser kommunizieren.

Wünschen Sie sich mehr junge Menschen im Stadtrat?

Giousouf: Auf jeden Fall. Ich werde nicht müde zu betonen, wie wichtig Repräsentation ist. Als junger Mensch, als Frau, als Migrant. Desto mehr junge Menschen in die Politik gehen, desto häufiger werden Themen aufgegriffen, die uns interessieren. Wenn ich bessere Frauenpolitik will, dann muss ich aktiv werden und mich ransetzten. Und genau das mache ich als junge Frau, ich presche vor. Und darin lass ich mich nicht beirren. 

Mehr Frauen in die Politik, das wäre ja mit der Frauenquote erreichbar.

Giousouf: Die Frauenquote ist eine Möglichkeit, aber ich bin nicht die größte Befürworterin. Ich finde, dass Frauen, aber auch Jugendliche, mehr gefördert werden müssen. Alter und Geschlecht sollten kein Kriterium für Politik sein, eine Quote macht es aber dazu.

Was möchten Sie noch verändern?

Giousouf: Ich möchte die Digitalisierung voranbringen. Corona hat nochmal gezeigt, wie sehr wir hinterherhinken. Ich weiß, dass das ein langer Prozess ist, aber wir müssen endlich anfangen. Das geht schon mit kleinen Schritten: Ich würde am liebsten eine Meerbusch-App einführen, mit der wir die keinen Dinge des Lebens einfacher erledigen können. Zum Beispiel die Terminvereinbarung beim Rathaus, Passverlängerung oder eine Kfz-Zulassung — das könnte man alles auch online erledigen und eine Menge Zeit sparen.

Hat Meerbusch in Sachen Digitalisierung Nachholbedarf?

Giousouf: Nicht mehr als andere Städte auch. Aber wir haben den Vorteil, dass wir jetzt im Stadtrat einen Digitalisierungausschuss haben. Dafür habe ich mich direkt vorgeschlagen. Wir werden quasi komplett neu gegründet und können vorgeben, in welche Richtung die Ideen gehen sollen und was wir in Meerbusch umsetzten können. In der Hinsicht sehe ich mein Alter als Vorteil.

Sie studieren Jura, sind Vorsitzende der Unicef-Hochschulgruppe und sitzen jetzt auch noch im Stadtrat — wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Giousouf: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es immer einfach ist. Zwischendurch ist es wirklich anstrengend, vor allem das Studium. Mein Engagement in der Politik empfinde ich als Ausgleich. Ich würde es sogar als Hobby bezeichnen. Eine schöne Abwechslung zu meinem theoretischen Studium.

Aber Studieninhalte begegnen Ihnen doch auch in ihrem Amt, oder?

Giousouf: Jura und Politik gehen Hand in Hand. Ich hatte vor kurzem meine Einführungsvorlesungen zum Thema Baurecht und habe sofort Parallelen zum Bauausschuss gesehen. Trotzdem glaube ich nicht, dass Juristen die besseren Politiker sind.