Weihnachten in Meerbusch Gesellschaftskritische Themen im Fokus

Büderich · In der Adventszeit verändert sich die weihnachtliche Landschaft in der Sankt Mauritius Kirche stetig. Das Krippenteam greift dabei gesellschaftlich relevante Themen auf. Erst Heiligabend kehrt in der liebevoll gestalteten Krippe Ruhe ein.

Bekannte Gesichter in der Krippenlandschaft: Pastor Michael Berning spielt Cello, Küster Josef Weiler (hinten rechts im grauen Strickrolli) steht mit Schlüsselbund unter dem alten Kirchturm.

Foto: male

Pastor Michael Berning sitzt mit dem Cello in einer Chor- und Orchestergruppe, der auch sein Amtsvorgänger angehört, und Küster Josef Weiler steht im grauen Strickrolli unter dem alten Kirchturm. Auf der anderen Seite des Wasserlaufs haben sich demonstrierende Querdenker von der Gesellschaft abgewandt und protestieren mit Plakaten gegen die „Lügenpresse“. Auch Maria und Josef haben sich mit dem Esel auf den Weg zum Stall gemacht. So sieht die Krippe in der St.-Mauritius-Kirche an der Dorfstraße in Büderich in den letzten Tagen vor Weihnachten aus. Wie seit dem Jahr 1998 jedes Jahr in der Adventszeit hoch aktuell und mit politischer Brisanz.

Karo Laimmer, Organist Johannes Maria Strauss und dessen Frau Susanne Strauss bilden das ehrenamtliche Krippenteam der Gemeinde. „Nach den Herbstferien treffen wir uns mit Pfarrer Berning zu einem ersten Gedankenaustausch, welche gesellschaftlich relevanten Themen sich in diesem Jahr in unserer Krippe widerspiegeln sollen. Wir stimmen dann die Themen mit den Lesungen der jeweiligen vier Adventssonntage ab, damit der Pastor die in der Krippe angesprochenen Themen mit in seine Predigt aufnehmen kann“, erklärt Karo Laimmer (27).

Karo Laimmer und das Krippenteam gestalten die Landschaft.

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In diesem Oktober war schnell klar, dass die Flutkatastrophe im Ahrtal sowie Umwelt und Klimaschutz aufgenommen werden mussten. Diese Szenen von Schlamm und Verwüstung sowie Fahrradfahrer und Fotovoltaik-Anlagen auf den Häusern wurden direkt zum ersten Adventssonntag umgesetzt.

Freitags vor dem ersten Advent beginnen traditionell die Aufbauarbeiten – „wobei einige starke Jungs aus der Hildegundiskompanie der Schützen helfen, die Materialien aus dem Keller in die Kirche zu tragen“, berichtet Karo Laimmer. Sind das Grundgerüst mit den fünf Meerbuscher Häusern, das Licht und in diesem Jahr erstmals der Wasserlauf aufgebaut, kümmert sich das Krippenteam um den Feinschliff.

Rund um das alte Küsterhaus, den alten Kirchturm und die Remise von Haus Meer tummeln sich dann die Krippenfiguren, die liebevoll in Handarbeit aus Draht, Klebeband und Fimo-Masse hergestellt wurden. Rund 50 Männer, Frauen und Tiere sind mittlerweile im Fundus. Sie müssen immer mal wieder in neue Rollen schlüpfen und tragen alle selbst genähte Kleider aus verschiedensten Stoffresten.

Am zweiten Adventssonntag war in der Kirche die Flucht aus Afghanistan Thema. In dieser Szene drehte sich alles um verzweifelt fliehende Menschen, die das in der Krippe gelandete Flugzeug noch erreichen wollten. Während die rechte Seite des Wasserlaufs das Hier und Jetzt darstellt – dort bewegt und verbreitet sich munter das allgegenwärtige Coronavirus, dargestellt mit blauen Styroporkugeln mit rot gefärbten Nelken – zeigt die linke Seite Bilder einer Welt, wie sie sein könnte.

Gespaltene Gesellschaft und Brexit waren schon Themen

Der dritte Advent zeigt die gespaltene Gesellschaft mit Ausgrenzungen und Zwietracht. Der vierte Advent steht mit einem Zollhäuschen, Grenzen und dem Brexit ganz im Zeichen der streitbaren europäischen Gemeinschaft. Und dann kommt schließlich Weihnachten und alle Besucherblicke richten sich auf den Stall mit Ochs und Pferd und auf Maria und Josef, den Esel und das Jesuskind. Auch die Heiligen drei Könige sehen sich das Spiel schon einmal an. „Ja, es ist viel Arbeit, die Krippe jeden Freitag vor den Adventssonntagen, für das Weihnachtsfest und dann auch noch in der Zeit bis Anfang Februar immer wieder neu zu interpretieren“, berichtet Karo Laimmer, die Kunst, Religion und Sozialwissenschaften auf Lehramt studiert. Rund fünf Stunden ist sie jede Woche mit der Krippe beschäftigt: Sie gestaltet mit den Eheleuten Strauss die Krippe um, bastelt Schilder, Zäune, Wimpel und dekoriert kleine Tannenbäumchen in der Krippe.

Während einige Gemeindemitglieder dem Krippenteam – letztes Jahr hat Karo Laimmer die Aufgabe alleine gestemmt – immer mal wieder helfen, zum Beispiel hilft Dachdecker Plenkers mit langen Leitern aus und Optiker Bodewig hat kleine Brillen für die Figuren gefertigt, gibt es auch kritische Stimmen. „Ich wurde bereits von einem Gemeindemitglied wüst beschimpft, dass sie sich in der Weihnachtszeit nicht auch noch mit dem ganzen negativen politischen Kram auseinander setzen wolle“, berichtet die junge Frau vom Krippenteam. Doch die Anerkennung für die viele Arbeit überwiegt. Auch außerhalb der Gottesdienste kommen Interessierte in die St. Mauritius Kirche, um die wöchentlichen Veränderungen zu beobachten. „Und ich bin echt froh, dass wir nicht so eine Standardkrippe haben wie in anderen Kirchen“, sagt Laimmer stolz.

An den Festtagen und in den Wochen bis Mariä Lichtmess kehrt weihnachtliche Ruhe in die Krippe an der Dorfstraße ein. Die Hirten besuchen das Neugeborene zum Fest, zum Fest der Unschuldigen Kinder versammeln sich Jungen und Mädchen um den Stall, und spätestens am sechsten Januar sind auch die Könige beim Jesuskind angelangt.

Karo Laimmer wird sich auch 2022 liebevoll um Maria, Josef und das Kind kümmern. Sie wünscht sich aber auch Unterstützung von jungen Leuten aus der Gemeinde, die gesellschaftlich relevante Themen in die außergewöhnliche Krippenlandschaft einbauen wollen.