Historisches in Meerbusch So feierte man Weihnachten vor hundert Jahren
Meerbusch · Eine kleine Weihnachtsgeschichte auf der Grundlage von Berichten aus dem Meerbuscher Stadtarchiv.
Nennt mich Johann! Und auch wenn ich gar nicht existiere, möchte ich euch einladen, mit mir 100 Jahre zurückzureisen und ein Weihnachtsfest zu erleben, wie ich es als Sextaner-Schüler im heutigen Meerbusch wirklich hätte erleben können. Heute ist Heiligabend! Was bin ich aufgeregt. Draußen ist es noch dunkel, aber im Haus regen sich schon alle. Jeder will schnell seine Aufgaben erledigen. Deshalb schlüpfe ich in meine Klompen – die hat Opa selbst aus Pappelholz geschnitzt – und tapse mit meinem Nachtgeschirr die Treppe herunter, durch den Flur und auf den Hof. In dem Häuschen mit dem Herzchen in der grünen Tür leere ich den Pott aus und wanke dann zur Waschküche mit der Pumpe, um mir die Zähne zu putzen und mich frisch zu machen. Das große Baden war gestern schon, denn heute ist dafür keine Zeit.
Auch an Feiertagen
muss ausgemistet werden
Schnell will ich meine Aufgaben erledigen und die Kühe, Gänse und Hühner füttern. Der Vater und unser Knecht haben schon gemistet. Das muss auch an Feiertagen erledigt werden. Aber mehr passiert heute auf dem Hof nicht und auch der weite Weg mit der Bahn und zu Fuß zur Krefelder Oberschule fällt in den Ferien für mich flach.
Noch schnell frühstücken und dann darf ich endlich mit Vater den Weihnachtsbaum holen. Den haben wir schon vor ein paar Jahren aus dem Samen eines Tannenzapfen gezogen, naja es waren natürlich Vater und Großvater, denn unser Baum ist fast so alt wie ich. Im verschneiten Bungert stehen neben unseren Obstbäumen nämlich auch einige Tannen. Mit der Säge bewaffnet machen wir uns auf und tragen das gute Stück in die Stube. Im Keller sind noch ein paar schöne Äpfel und Walnüsse, habe ich schon im Oktober gesammelt. Die sind jetzt schön trocken und werden mit einem Faden versehen. Zusammen mit den Strohfiguren der Schwester ist das unser traditioneller Christbaumschmuck. In diesem Jahr haben die Eltern aber in der Stadt auch eine gläserne Spitze gekauft und ein paar Vögelchen mit Rossschweif als Schwanz. Die sind ganz schön teuer und etwas ganz besonderes. Natürlich hängt Vater die selber auf, wie auch die Kerzen. Das muss nämlich sorgfältig geschehen, denn der Glasschmuck darf nicht kaputtgehen und wenn die Wachskerzen im Baum falsch angebracht werden, ist das ganz schön gefährlich.
In der Küche sind Mutter und Schwester schon zugange, um unser Festmahl vorzubereiten. Heute gibt es Gans. Meine Mutter hat sie gestern selbst geschlachtet und mit der Schwester gerupft. Dazu gibt es allerlei Leckereien, die auch noch vorbereitet werden müssen, damit nachher nicht mehr so viel zu tun ist.
Ich habe jetzt noch etwas Zeit und die nutze ich, um die letzten Geschenke vorzubereiten. In schönster Schrift schreibe ich noch einige artige Briefe an die Eltern und Großeltern und einige Onkels und Tanten. Darüber freuen die sich immer sehr. Vielleicht schreibe ich sogar etwas auf Latein – das lerne ich jetzt in der Schule. Alle sind stolz, dass ich so viel lerne.
Das ganze Dorf sieht
sich das Krippenspiel an
Nach dem Essen – ein echtes Festmahl, das Mutter da gezaubert hat – gehen wir zur Volksschule. Fast das ganze Dorf ist hier, um das Krippenspiel zu sehen. Das haben meine alten Schulkameraden in diesem Jahr vorbereitet und es hat uns allen sehr gefallen. Vor allem bekommen wir Kinder jeder eine Tüte voll mit Leckereien. Die Bauern haben Getreide und Früchte gespendet, so dass jeder einen Weckmann bekommt, etwas Obst und sogar ein kleines Stück Schokolade.
Zuhause gibt es jetzt die große Bescherung. Natürlich haben wir vor allem Kleidung bekommen und einen Füller und meine Schwester einen eigenen Stickrahmen. Aber mit glänzenden Augen stehe ich vor der Ritterburg, die mein Opa aus Holz gebastelt hat. Sogar die Zugbrücke kann man hochziehen und die Schwester spielt schon mit ihrer neuen Puppe, die ein Gesicht aus Porzellan hat. Viel damit spielen können wir heute aber leider noch nicht, denn um Mitternacht sind wir zur Christmette mit der Weihnachtsgeschichte in der Kirche. Der Gottesdienst ist sehr feierlich und nun liegt auch das Jesuskind in der Krippe, die gestern noch leer war. Alle Priester aus dem Dorf stehen am Altar, allerdings ist mein Latein noch nicht gut genug, um etwas zu verstehen, was dort vorgebetet wird. Aber die Weihnachtslieder singen wir alle gerne und danach geht es nach Hause und für uns Kinder ins Bett.