Freizeit in Meerbusch Die Versehrtensportgemeinschaft besteht seit 50 Jahren
Meerbusch. · Bosseln, Bogenschießen und Schwimmen stehen heute noch auf dem Programm. Viel wichtiger ist jedoch der starke Zusammenhalt.
Eigentlich hatte Sigrid Mertens gar nicht vor, 1. Vorsitzende der Versehrtensportgemeinschaft zu werden. „Mein Vater hat mich dazu verdonnert“, sagt sie. Er war damals Mitglied und 2. Vorsitzender des Vereins und brauchte Hilfe. Unter einer Bedingung sagte sie zu: „Ich wollte mit dem Schreibkram nichts zu tun haben“, sagt sie. Aus ihrer anfänglichen Skepsis sind mittlerweile 25 Jahre geworden. Den „Schreibkram“ mag sie zwar immer noch nicht, trotzdem bereut sie keine einzige Sekunde: „Ich würde es immer wieder tun“, sagt sie.
Obwohl sie schon ein Vierteljahrhundert das Amt der 1. Vorsitzenden innehat, geht die Geschichte des Vereins viel weiter in die Vergangenheit. Vor 50 Jahren, am 10. Dezember 1970, fand die erste Gründungsversammlung in Meerbusch statt. Anwesend in der Gaststätte Zum Ännchen, heute das Babylon, waren damals 22 Personen, darunter auch Margret Willms, die Initiatorin. Sie war auf der Suche nach einem Sportverein für ihre behinderte Tochter, wurde aber nicht fündig. „Das kann man sich heute nicht vorstellen, aber früher gab es für Menschen mit Behinderung kein Angebot“, sagt Mertens. Also gründete Willms selber einen Verein und rief die Versehrtensportgemeinschaft ins Leben.
Bald konnten Turniere mit anderen Vereinen durchgeführt werden
Im Laufe der Jahre stießen nicht nur Kinder zu dem Verein, auch Kriegsverletzte und Menschen mit anderen Behinderungen kamen hinzu. „Darunter waren viele Männer, die ihre Beine verloren haben und im Rollstuhl saßen“, sagt sie. Das Angebot begrenzte sich auf Sportarten, die Menschen mit Behinderung ausführen konnten. „Fußball und Handball waren nicht möglich, dafür hatten wir aber viele andere Ideen“, sagt Mertens. Zum Beispiel Sitzball, Schwimmen, Wassergymnastik, Volleyball, Hallenturnen und Bosseln, das auf besonders große Begeisterung traf. Da sich auch in Neuss, Krefeld und anderen Städten in der Umgebung Sportvereine für Menschen mit Behinderungen gründeten, wurden regelmäßig Turniere durchgeführt. „Da hatten wir immer einen Riesenspaß“, erinnert sich Mertens. Die Stimmung sei unbeschreiblich gewesen, tiefe Freundschaften seien entstanden und sogar eine Ehe geschlossen worden. Zur Hochzeit war der gesamte Verein eingeladen.
Mittlerweile ist aus der Versehrtensportgemeinschaft ein Seniorensportverein geworden. Reha-Sport im Wasser und in der Turnhalle, Bogenschießen und das beliebte Bosseln stehen immer noch auf dem Programm. 130 Mitglieder zählt der Verein, in dem neben der sportlichen Betätigung gemeinsame Ausflüge einen hohen Stellenwert einnehmen. „Dieses Jahr hätten wir gerne einen Jubiläumsausflug unternommen“, erzählt sie. Eine Rundfahrt mit einem Schiff über den Rhein war geplant, leider musste sie abgesagt werden. Auch der Ausflug ins Emsland wurde verschoben.
Bei der Planung muss Mertens immer darauf achten, dass auch Mitglieder im Rollstuhl mitfahren können. In den vergangenen 50 Jahren habe sich einiges getan. „Mittlerweile ist Deutschland viel behindertengerechter geworden“, sagt sie. Am wichtigsten ist Mertens, dass der Zusammenhalt im Verein nicht verloren geht. „Ich möchte keinen Knatsch in der Bude“, sagt sie. Und wenn es dazu kommt, ist sie zur Stelle. „Außenstehende können sich nicht vorstellen, wie stark das Gemeinschaftsgefühl ist, wie viel hier gelacht wird. Und das soll auch so
bleiben.“