Meerbuscher Malerin taucht in Städte und deren Geschichten ein

Bilder von Johanna Wiens hängen unter anderem in Essen und Düsseldorf.

Foto: Dackweiler

Über sechs Wochen erfreute sich Johanna Wiens an dem Triptychon über ihrer Wohnzimmercouch. Vor wenigen Tagen wanderte es weiter an seinen Bestimmungsort im Essener Landgericht. „Justitia. Wandel der Zeit. Cosmas und Damian“, ein vier Meter langes Auftragswerk zum 71. Juristentag, ging in die Sammlung der Sparkasse Essen ein. „Ein schönes Gefühl, dass mein Bild neben denen meines Lehrers Jörg Immendorff und dessen Lehrer Joseph Beuys hängt“, sagt die Büdericher Malerin.

Ihre Wand wird indessen nicht lange leer bleiben. Johanna Wiens pflegt dort, wie auch in anderen Räumen ihres Hauses, begonnene Arbeiten zu platzieren. „Ich lasse sie auf mich wirken und nehme sie gelegentlich ab, um weiterzumalen“, erzählt sie, „solche Prozesse können Monate dauern.“

Blickfang in der Diele ist ihr bereits fertiges Meerbusch-Gemälde. Vom 20. November bis zum 4. Dezember wird es in der Sammelausstellung „Kunst aus Meerbusch“ in der Teloy-Mühle in Lank zu sehen sein. Es lädt zu einem opulenten Spaziergang mit den Augen ein. Johanna Wiens hat Kirchen, Denkmäler und Landmarken aus allen Ortsteilen festgehalten. Ihr Lieblingsthema sind Städte und ihre Geschichte, in die sie tief eintaucht, bevor sie zu malen beginnt. „Ich lese viel, vergrabe mich in Archiven und bin stets fasziniert, was es bei dieser spannenden Spurensuche zu entdecken gibt“, sagt sie. „Danach erstelle ich eine Liste der möglichen Motive und entscheide intuitiv, welche ich verwende.“

Nie wollte sie etwas anderes werden als Malerin. Mit Zeichnungen und riesigen Porträts bewarb sie sich an der Kunstakademie Düsseldorf, kam in die Klasse von Jörg Immendorff und sah sich herber Kritik ausgesetzt. „Er mochte meine Arbeiten nicht“, erzählt sie. „Seine Studenten sollten sich in ihren Bildern politisch ausdrücken. Dazu war ich mit meinen 19 Jahren noch gar nicht fähig.“ Um ihm zu gefallen, nahm sie schräge Themen auf. Trotzdem hielt das Gefühl an, bei ihm nicht gut aufgehoben zu sein. Sie wechselte in die Klasse von Gerhard Merz und fand „nach einer total verkopften Phase“ durch ganz einfache Bilder zurück zur Malerei.

Ihre Serie „Dum dum lipstick“ (2004) mit comicartigen, von der Werbung inspirierten Frauenporträts erregte Aufsehen in der Kunstwelt, blieb für Johanna Wiens aber nur eine Episode. Es waren schließlich die Geschichts-Collagen, in denen sie ihre eigene künstlerische Bestimmung entdeckte. Allein über den Einsturz des Kölner Stadtarchivs entstanden über Jahre mehrere Reihen. Wenn sie heute Frauen malt, sind es Symbolgestalten wie Justitia.

Auch in Düsseldorf kann man Werken von Wiens begegnen. Zwei Bilder hängen im neuen „me and all“-Hotel von Lindner an der Immermannstraße: in der asiatisch inspirierten Lobby ein Garten in Kyoto, in der Bar im elften Stock eine urbane Collage. Sie verbindet Düsseldorf und Tokio, wo die Malerin 2010 für ein halbes Jahr lebte und arbeitete.