Notfallkonzept für Kanäle: Bei Unwetter Regenwasser ins Freie leiten
Stadt will für den Fall, dass die Kanäle voll sind, in den nächsten sechs Jahren weitere Notentlastungen anlegen.
Meerbusch. Das Tief kam aus dem Nichts, mit Wucht und Sturzregen, doch die schlimmsten Folgen hatte diesmal der Wind. „Christian“ ließ die Meerbuscher am Montag glimpflich davonkommen. Er kappte zahlreiche Bäume, Menschen wurden nicht verletzt. Der Sturzregen hatte keine Folgen, anders als beispielsweise 2009.
Dass damals Kanäle die Wassermassen nicht mehr aufnehmen konnten, war der Start für die Erarbeitung eines Konzepts, das Matthias Unzeitig (Fachbereich Straßen und Kanäle) im November dem Bau- und Umweltausschuss vorlegen wird. Dessen Kerngedanke: Wenn die Rohre voll sind, wird das Wasser gezielt ins Freie abgeleitet, auf Felder und in Bäche.
Ist das erlaubt? „Es ist keine regelgerechte Regenwasserentlastung, sondern eine Option für den Notfall“, sagt Unzeitig, „und das Verfahren muss der Bezirksregierung angezeigt werden“. Die gebe eine Stellungnahme ab, verbinde den Betrieb möglicherweise mit Auflagen. „Grundsätzlich hat sie bereits Zustimmung signalisiert.“
Das System der Notfallentlastung setzt an, wo Regen- und Schmutzwasser in einem Kanal aufgenommen werden, konzentriert in Büderich und Osterath. An der Johannes-Kirschbaum-Straße hinter dem Deich hat es sich bereits bewährt, auf dem ehemaligen Bauhofgelände in Büderich soll es demnächst realisiert werden.
„Solch eine Entlastung wird immer nur lokal zum Tragen kommen“, betont Unzeitig. Auslöser ist nicht ein abstrakter Regenwasser-Grenzwert, sondern es sind die exakten Daten am Standort. Ist der Kanal unterhalb des Bauhofgeländes an der Moerser Straße voll, wird der „Überfluss“ ins Bachbett abgeleitet.
„470 Kubikmeter Wasser kann der Schackumer Bach innerhalb von 30 bis 40 Minuten aufnehmen“, erläutert Unzeitig. Vor drei Jahren wurde der Lauf freigelegt, oft führe er kein Wasser. „Das passt.“ Grundsätzlich sei die Kapazität auf Unwetter gerechnet, die statistisch alle drei Jahre einmal auftreten, im Fall des alten Bauhofes sogar nur alle zehn Jahre. Lohnt da die hohe Investition? „Ja“, sagt Matthias Unzeitig ohne Zögern. „An der Straße Am Pützhof müssen nur zwei Häuser überflutet werden, dann sind wir schnell bei den Kosten.“
Ob die Stadt in solch einem Fall tatsächlich haftbar gemacht werden könne, sei nicht sicher. Sicher sei jedoch, dass sie alles tun müsse, um ihn zu verhindern. „Man muss sozusagen einen Gürtel und doppelte Hosenträger tragen“, sagt Unzeitig bildhaft. Bei Überschwemmungen zu knapp zu kalkulieren, sei nicht sinnvoll. „Ein Zuschlag auf die Berechnungen gibt für einige Zeit Sicherheit.“
Noch sind nicht alle Gebiete festgelegt, doch deren Lage ergibt sich aus dem Regenwasserfluss. So soll in Osterath die Wiese an der A44 im Mollsfeld, wo das Autohaus Nauen einen Parkplatz angelegt hat, Ausweichfläche werden, Felder am Rande der Bebauung Im Wiesengrund und des P&R-Platzes Bovert im Notfall geflutet werden und ebenso das Grünland an der Strümper Straße in Höhe der Rehaklinik, am Schwertgesweg und an der Kaarster Straße — ganz in der Nähe des potenziellen Konverterstandorts.
Schwieriger und noch unklar ist, wie man an den Konfliktstellen Comenius- und Leibnizstraße — mitten im Wohngebiet — vorgeht. In den kommenden sechs Jahren will Unzeitig fünf bis sechs Notentlastungen gebaut haben. Ob das gelingt, hängt von der Zustimmung der Politik ab — und, dass das Geld im Haushalt eingeplant wird. 18 Millionen Euro sind für sechs Jahre veranschlagt.