Schuhmacher hört nach 56 Jahren auf

Günther Schellenberger und seine Frau Luise verabschieden sich in den Ruhestand. Es gibt aber einen Nachfolger für den Schuhmacherfachbetrieb in Osterath.

Foto: Terhorst

Es braucht nicht viel Zeit, um festzustellen, mit welcher Leidenschaft Günther Schellenberger seinem Beruf als Schuhmacher nachgegangen ist. Seine Augen beginnen noch immer zu funkeln, sobald er über das Handwerk spricht. Schuhe sind für ihn nicht bloß ein normaler Alltagsgegenstand. „Jeder Schuh ist eine kleine Wissenschaft für sich“, sagt er.

Während des Gesprächs mit dem Schuhmacher-Meister kommen immer wieder Kunden in den kleinen Laden, bedanken sich für seine Arbeit, wünschen alles Gute für die Zukunft. Ein Mann überreicht ihm eine Flasche Wein und eine Karte, als er seine Schuhe das letzte Mal bei dem Schuhmacher-Meister abholt. Eine Kundin schrieb ihm sogar einen anonymen Brief, in dem sie sich für einen Streich, den sie ihm mit einer Freundin vor 30 Jahren spielte, nach all den Jahren entschuldigt. Gesten wie diese sorgen für Tränen in den Augen des 79-Jährigen und seiner Frau Luise. „Der Kontakt zu meinen Kunden war mir immer sehr wichtig, scheinbar haben die Kunden das wertgeschätzt“, sagt Schellenberger.

Doch nun ist Schluss. Nach 56 Jahren hat sich Günther Schellenberger gestern von seinem Schuhmacher-Fachbetrieb an der Kaarster Straße, den er mit seiner Frau Luise führte, in den verdienten Ruhestand verabschiedet. „Denn man kann nicht arbeiten, bis man umfällt“, sagt er.

Günther Schellenberg wurde 1938 im fränkischen Hammelburg geboren. Bei seinem Onkel ging er 1953 in die Schuhmacher-Lehre, drei Jahre später absolvierte er seine Gesellenprüfung. „Schon zur Lehrzeit war es immer mein Traum, eines Tages mal einen eigenen Betrieb zu haben“, sagt er. Am Karnevalssonntag 1958 führte ihn sein Weg schließlich nach Büderich, wo er eine Gesellenstelle bekam. In Büderich lernte er 1960 auf dem Schützenfest auch seine Ehefrau Luise, die gebürtig aus Osterath stammt, kennen. Sie sahen sich jedoch erst nach zwei Jahren wieder, wurden dann ein Paar.

GüntherSchellenberger

1961 beendete Schellenberger erfolgreich die Meisterschule. Danach zogen Günther und Luise nach Osterath, um sich den Traum vom eigenen Betrieb zu erfüllen. „Als wir ein passendes Ladenlokal in Osterath gefunden haben, gab es vom Vermieter nur eine Bedingung: Er wollte nur an ein Ehepaar vermieten. Also mussten wir schnell heiraten“, sagt der Schuhmacher-Meister. In den folgenden Jahren bekam das Ehepaar drei Kinder, die ihnen fünf Enkel und zwei Urenkel bescherten.

Am 7. März 1962 ging Günther Schellenbergers Traum schließlich in Erfüllung. Er eröffnete auf der Düsseldorfer Straße (heute Meerbuscher Straße) seinen Schuhmacher-Fachbetrieb. „Das war damals ein großes Risiko, denn ich war der neunte Schuhmacher im Ort“, berichtet er. „Die Leute haben uns für verrückt gehalten. Es wurde gemauschelt, wir seien nach ein paar Wochen sowieso wieder weg.“ Doch sie täuschten sich.

Nach fünf Jahren zogen die Schellenbergers in ein anderes Ladenlokal auf der Hochstraße. „Natürlich gab es wie in jedem Betrieb sowohl gute als auch schlechte Zeiten. Als Schuhmacher ist man ja zum Beispiel abhängig von der Schuhmode“, sagt er. 1977 kauften sie ein Haus auf der Kaarster Straße, in dem sie heute noch wohnen und in dem auch der Betrieb beherbergt ist. Wieder gab es vor dem Kauf eine Bedingung. „Es war ein altes Schuhmacherhaus. Der Eigentümer wollte es nur an uns verkaufen, wenn wir die Tradition fortsetzen“, sagt Schellenberger. Er hielt sein Versprechen. Eigentlich wollte Schellenberger schon vor drei Jahren aufhören. „Doch ich habe erst jetzt einen Nachfolger gefunden“, sagt er. Am 1. März wird Andreas Willms aus Korschenbroich den Betrieb übernehmen. Günther Schellenberger, der auch seit 1996 als Obermeister der Schuhmacher-Innung Linker Niederrhein vorsteht, wird ihm gelegentlich mit Tat und Rat zur Seite stehen. „Die Kunden müssen sich keine Sorgen machen, er ist sehr kompetent“, sagt er.