Snooker ist wie Schach mit Kugeln
Angelika Mix gehört zu den wenigen Frauen, die den Sport betreiben.
Strümp. Der Tisch ist viel größer, die Kugeln sind kleiner. Snooker ist hierzulande eine Randsportart, in Großbritannien werden Spieler wie Ronnie O’Sullivan hingegen als Nationalhelden verehrt.
Snooker ist technisch und taktisch anspruchsvoller als das populärere Pool-Billard. Doch während es auf der Insel rund sechs Millionen Spieler gibt, nehmen in Deutschland nur 4000 den Queue in die Hand, um die 15 roten und die sechs andersfarbigen Bälle in den engen Taschen zu versenken.
Eine davon heißt Angelika Mix. Sie wohnt in Strümp und geht bei der Billard-Gemeinschaft Viersen ihrem Hobby nach. Begonnen hat die Übersetzerin vor sieben Jahren, als sie aus München an den Niederrhein zog. „Die Wohnungssuche hat mich stark in Anspruch genommen, die sozialen Kontakte kamen dabei zu kurz“, erinnert sich die 61-Jährige.
Über den Umweg Pool-Billard fand Mix zum Snooker. Mit einer befreundeten Rechtsanwältin spielte sie das erste Mal, „wir benötigten viereinhalb Stunden, bis alle Kugeln eingelocht waren. Da dachte ich mir: Entweder du lernst das jetzt richtig oder du lässt es gleich wieder sein.“ Bei Stefan Wiedow in Viersen erhielt Angelika Mix ihre erste Lektion, auch der vielfache deutsche Meister Lasse Münstermann und Bundestrainer Thomas Hein nahmen sich Zeit für die Strümperin.
„Ich kann sechs Fremdsprachen, weiß also, was Vokabeln pauken bedeutet. So habe ich auch Snooker gelernt: Jede Übung, die mir aufgetragen wurde, habe ich brav absolviert und wiederholt, bis ein Erfolg erkennbar war“, erzählt Angelika Mix.
So hat sich die Billardspielerin im Verlauf weniger Jahre ein beachtliches Leistungsniveau angeeignet, das sie zuletzt auch bei einigen Turnieren unter Beweis stellte. Bei einem Ü40-Turnier in Oberhausen schied sie im Juni zum Beispiel erst im Halbfinale gegen den zehnfachen Deutschen Meister Miro Popovic aus.
Damit aber nicht genug: Im April hat sie sich an der South West Snooker Academy in Gloucester — unter anderem beim sechsfachen Weltmeister Steve Davis — als Coach ausbilden lassen. Auch in Deutschland hat Mix einen entsprechenden Lehrgang als Trainer-Assistentin absolviert. „Ich bin vielleicht nicht die brillanteste Spielerin, kenne aber das Regelwerk und verfüge über pädagogische Erfahrung sowie die Geduld, Anfängern das Spiel beizubringen“, erklärt Mix.
Dass sie vom Gentleman-Sport nicht mehr lassen kann, hat für die Meerbuscherin viele Gründe: „Snooker ist aufgrund seiner Vielseitigkeit wie Schach mit Kugeln. Technik ist wichtig, taktisches Geschick und die Intelligenz, den Gegner richtig einzuschätzen, aber genauso.“ Snooker habe für sie sogar meditativen Charakter: „Das ist wie Bogenschießen beim Zen.“
Im Nachhinein wundert sich Angelika Mix nicht, dass sie — wenn auch spät — so fasziniert ist von Snooker: „Mein Großvater stammt aus Sheffield. Dort findet jedes Jahr die Snooker-WM statt. Es musste also so kommen.“