Bombenentschärfung: Entwarnung um 12.02 Uhr

Auf der Furth mussten am Freitag 6000 Menschen ihre Häuser verlassen.

Neuss. Um 12.02 Uhr ist es geschafft: Feuerwerker Jost Leisten, Truppführer des Kampfmittelräumdienstes, hält den Zünder in der Hand. Verglichen mit dem zehn Zentner schweren, von Rost angegriffenen Koloss, an dem der Auslöser hängt, nur ein kleines Stück Eisen — der entscheidende Teil.

Zumindest, bis Jost Leisten kam. Der 54-Jährige hat am Freitag die amerikanische Fliegerbombe, die seit ihrem Abwurf im Zweiten Weltkrieg im Boden am Kotthauser Weg auf der Furth lag, entschärft. Für Leisten, der seit 32 Jahren beim Räumdienst arbeitet, ist das „Tagesgeschäft“.

Mit einem Schlüssel hat er den Zünder am Ende des Sprengkörpers von Hand entfernt und festgestellt, dass der Zündmechanismus zwar ausgelöst war, die Bombe aber nicht detoniert ist. Angst? Fehlanzeige. „Ich mache mir keine Gedanken. Wenn etwas passiert, geht es sowieso ganz schnell“, sagt Leisten, der mit seinem Kollegen Udo Lokotsch die Gefahr beseitigte.

So glatt läuft es nicht immer. Deshalb ist eine großangelegte Evakuierung nötig. 23 000 Anwohner und zahlreiche Geschäfte sind von der Entschärfung betroffen. 6000 Anwohner und Beschäftigte von 260 Firmen aus einer Zone von 500 Metern rund um die Fundstelle müssen die Gebäude verlassen.

Massiver logistischer Einsatz ist gefragt. Ordnungsamtsleiter Uwe Neumann koordiniert die Aktion. Bus- und Bahnverbindungen werden gesperrt. Neben Polizei und Feuerwehr sind 20 Kräfte der Bundespolizei im Einsatz, um die Menschen zu evakuieren. Die Problematik daran zeigt sich, als der für 11 Uhr geplante Beginn der Entschärfung verschoben werden muss. „Es sind noch Leute unterwegs. Und bevor nicht alle raus sind, fängt der Sprengmeister nicht an“, sagt Neumann. Da nutzten auch 20 000 verteilte Flugblätter nichts.

Während die Vorbereitungen laufen, sind 163 Senioren aus dem Pflegeheim Haus Nordpark und zahlreiche Anwohner weniger aufgeregt. Sie sind in der Turnhalle des Marie-Curie-Gymnasiums untergebracht, unter ihnen 50 Rollstuhlfahrer. 30 Bettlägerige kommen ins nahe, aber nicht in der Gefahrenzone gelegene Krankenhaus. „Die Betreuung ist einmalig. Nur das Warten ist nicht so toll“, sagt die 85-jährige Gertrud Kirschbaum entspannt. Vor der Halle kochen die Malteser Erbsensuppe.

Auch die Bewohner des Stadtviertels, die unterwegs waren und ab 10 Uhr vor geschlossenen Straßensperren stehen, nehmen es größtenteils gelassen. „Sorgen mache ich mir nur um die Männer, die jetzt die Arbeit machen müssen“, sagt Gerda Strucken, die die Zeit für Einkäufe nutzte.

Schließlich gibt die Polizei um 11.34 Uhr durch, dass die Entschärfung läuft. Leisten und Lokotsch arbeiten allein in einer Geisterstadt. Eine Stunde später ist davon schon nichts mehr zu spüren — die Bewohner kehren zurück.