Borgwardts bekommen täglich Igel-Besuch
Die Stacheltiere stehen seit einer Woche immer zur selben Zeit bei der Familie auf der Matte.
Grevenbroich. Pünktlichkeit ist eine gute Tugend. Wobei es eher unwahrscheinlich ist, dass sich die Igel im Garten der Familie Borgwardt tatsächlich nach der genauen Uhrzeit richten. Fakt ist jedoch: Sie kommen fast jeden Abend um genau 22.50 Uhr vorbei, um sich beim kleinen Wasserbad in einer Frisbee-Scheibe abzukühlen und sich für die Nacht mit etwas Futter zu stärken. „Es sind zwei Elterntiere und drei Igel-Babys, wobei die Kleinen zuletzt immer allein gekommen sind“, erzählt Dirk Borgwardt, der nie damit gerechnet hätte, in seinem Garten auf Igel zu treffen. Schließlich wohnt er mit seiner Frau und seiner Tochter mitten in der Stadt, an der alten Bergheimer Straße. „Seit einer Woche beobachten wir jeden Abend zur gleichen Zeit das Schauspiel. Zuerst raschelt es, dann schlüpfen die Igel durch ein kleines Loch im Zaun vom Nachbarsgarten aus zu uns. Sie kündigen sich immer mit einigen Geräuschen an“, berichtet der Familienvater, bei dem die kleinen Gartenbewohner erneut „Vatergefühle“ aufkommen lassen.
Anfangs habe Dirk Borgwardt gedacht, dass es sich um Mäuse handelt. Jetzt halten die süßen, stacheligen Wildtiere die Familie auf Trab. „Vor allem meine Tochter Carina ist begeistert“, sagt Borgwardt. Der Versorgungs-Marsch der jungen Igel dürfte zu den ersten Aktivitäten der Tiere am Tag zählen, denn Igel sind nachtaktiv und schlafen tagsüber. „Dass sie offenbar gleich bei uns mitten in der Stadt ihr Nest haben, wundert mich“, erzählt Borgwardt, der eine Schale mit Hundefutter für sie aufgestellt hat. Das Futter ließen sie sich schmatzend schmecken.
Die Fotos von den Jungtieren, die er bei Facebook gepostet hat, wurden dutzendfach mit „Gefällt mir“ markiert — in Grevenbroich ist also, wenn man so will, eine Art Begeisterungs-Welle für Igel ausgebrochen. Tatsächlich sind derzeit viele der stacheligen Gartenbewohner unterwegs. „Es ist Wurfzeit“, sagt Inge Lempka aus Wevelinghoven. Die 54-Jährige hat vor sieben Jahren die „Igelhilfe Grevenbroich“ ins Leben gerufen und kümmert sich verstärkt um verwaiste und kranke Igel, seit dem das Schneckenhaus keine Tiere mehr aufnimmt. „Zurzeit kümmere ich mich um rund 200 Igel“, sagt die Ehrenamtlerin.
Sie hat Tipps für diejenigen, die Igel in ihrem Garten entdecken. „Wer sie füttern will, sollte beachten, dass sie Insekten-, also Fleischfresser sind. Daher bieten sich Hunde- und Katzenfutter gut an — vor allem im Frühjahr, wenn viele Igel geschwächt aus dem Winterschlaf erwachen.“ Inge Lempka warnt davor, den Tieren Milch zum Trinken zu geben: „Igel sind Laktose-intolerant und können an den Folgen sterben. Gut ist Wasser.“
Kranke Igel erkenne man daran, dass sie etwa tagsüber herumtorkeln oder abgemagert sind. „Dann sollte das betroffene Tier unbedingt von einem Fachmann behandelt werden“, betont Lempka. Tiere, die eine Birnenform hätten und sich nachts normal bewegten, seien meist gesund — so wie die jungen Igel, die aktuell bei den Borgwardts unterwegs sind. „Sie zu beobachten ist spannender als Fernsehen“, sagt Dirk Borgwardt und gesteht: „Ich würde sie vermissen, wenn sie eines Tages nicht mehr zu uns kommen.“