CDU will Jugendarbeit überdenken

Anlass war ein Diskussionsabend, auf dem Forschungsergebnisse aus der Shell-Studie präsentiert wurden.

Neuss. Die Shell-Jugendstudie soll Denkanstöße für die Jugendarbeit in Neuss liefern. Das ist das Ergebnis eines Vortrags- und Diskussionsabends, den die CDU in ihrer Geschäftsstelle veranstaltet hat. Neben Parteimitgliedern waren Akteure der Jugendhilfe und Vertreter von Jugendorganisationen, Kirchen sowie aus Bildungseinrichtungen gekommen, um gemeinsam erste Ideen zu entwickeln. Professor Patrik Höring vom Erzbistum Köln stellte die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie — es ist die insgesamt 17. seit 1953 — vor und skizzierte die Thesen, die sich daraus ableiten lassen. Sie sollen als Grundlage für die Jugendarbeit und -politik dienen.

Beim Blick auf die Studie zieht sich ein Begriff wie ein roter Faden durch die Ergebnisse: Pragmatismus. Es entsteht das Bild einer anpassungsfähigen Jugend in Deutschland, die die Gegebenheiten annimmt, nach Sicherheit strebt und bereit ist, sich im persönlichen Umfeld für das Gemeinwesen zu engagieren. Dahinter zurück bleiben jedoch Eigenschaften, die man der Jugend gemeinhin zuschreibt: das Aufbegehren gegen das Bestehende, das Hinterfragen der Verhältnisse und das Streben nach Selbstverwirklichung haben im Konzept des Pragmatismus nur wenig Raum. „Das führt zu einem neuen Jugendbild“, erklärte Höring. Er sei nicht sicher, ob dies nicht ein Verlust ist. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass der Tauschhandel Pragmatismus gegen Selbstverwirklichungsdrang insbesondere von Vertretern, die in der Jugendhilfe tätig sind, kritisch gesehen wird. Zentraler Punkt: Kinder und Jugendliche würden zu sehr in einen engen Zeitplan gepresst und mit derart hohen Erwartungen konfrontiert, dass die Fantasie auf der Strecke bleibe. „Die Frage ist doch, ob es sich wirklich um Pragmatismus handelt — oder um Fatalismus“, meinte einer der Diskussionsteilnehmer. Möglicherweise würden sich Kinder und Jugendliche mangels Alternativen in ihre Rolle schlicht fügen.

Thomas Kaumanns, jugendpolitischer Sprecher der Neusser CDU

Am Ende des Abends stand der Vorschlag, einen „Think Tank“ aus der Taufe zu heben, in dem neue Ansätze für die Jugendarbeit in Neuss — vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der im Oktober 2015 vorgelegten aktuellen Shell-Studie — erarbeitet werden. Thomas Burgmer, Pastoralreferent der Katholischen Kirche Neuss-Mitte, lieferte die „Think Tank“-Idee. CDU-Parteivorsitzender Jörg Geerlings und Thomas Kaumanns, jugendpolitischer Sprecher der Neusser Christdemokraten, wollen den Vorschlag mit weiteren Foren zum Thema aufgreifen. „Die Jugend von heute braucht mehr Freiräume und weniger Einengung in der Lebensplanung“, sagt Kaumanns. Darauf müsse die Politik reagieren. „Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen mehr Freiheit von den Zwängen und Anforderungen der Systeme Schule und Wirtschaft. Wir werden uns Gedanken darüber machen, was wir in Neuss dazu beitragen können.“

Auf ein anderes Ergebnis der Shell-Studie schielt die Politik ebenfalls. 41 Prozent der Jugendlichen interessieren sich für Politik (2002 waren es lediglich 30 Prozent). „Wir müssen uns fragen, wie wir dieses steigende Interesse in echtes Engagement ummünzen können“, meint Kaumanns. „Dazu werden wir uns gemeinsam mit der Jungen Union Gedanken machen.“