Viele Zuschauer feiern Rückkehr des Schützenglockenspiels
Nach der Reparatur marschieren die Figuren jetzt wieder.
Neuss. Den Münsterplatz aus Richtung Vogteigasse zu überqueren, ist kaum möglich an diesem Samstagmorgen. Mehr als 400 Besucher blockieren den Weg. Ihre Blicke richten sich auf den Giebel des Vogthauses. Dort befindet sich das Schützenglockenspiel. Elf Monate hat es stillgestanden, weil ein Schaden an der 40 Jahre alten Mechanik eine grundlegende Reparatur nötig machte. Über 60 000 Euro hat das gekostet, und nun sind viele auf das Ergebnis neugierig.
Um 10.30 Uhr begrüßt Bürgermeister Reiner Breuer die Zuschauer, unter denen viele sind, die mit ihrer Spende die Reparatur möglich gemacht haben. „Das Schützenglockenspiel ist bekannt wie der Eierdieb“, sagt er. Breuer lobt den Einsatz der Neusser für das Glockenspiel: „Unser herzlicher Dank gilt allen Beteiligten. Die Schützen in Neuss haben sich beispielhaft engagiert.“
Anschließend tritt Isa Dheus ans Mikrofon. Sie spricht für den Verkehrsverein Neuss, der die Reparatur in die Hand genommen hat. „Die Neusser hängen an ihrem Glockenspiel. Daher mussten wir nicht lange darüber nachdenken, ob wir uns dafür engagieren wollen“, sagt sie, bevor Stadtführer Rolf Lüpertz die Anwesenden noch mit seiner Abwandlung des Quirinusliedes erheitert: „Höre doch mein Bittgeschrei/in der Not mein Helfer sei/lass uns noch lange — ohne zu zerstören/ jetzt wieder 40 Jahre das Glockenspiel hören.“
Dann rückt der erwartete Moment näher. Kurz vor 11 Uhr initiieren Breuer, Dheus und Christoph Buchbender als Vize-Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins einen Countdown. Es klappt. Als die Zuschauer von Zehn runtergezählt haben, setzt das Glockenspiel mit „Tochter Zion“ ein. Oben öffnen sich die Türen. Die Figuren von Schützenkönig und zwei Edelknaben grüßen und nehmen die Parade der Schützen aus Lindenholz ab. Unten staunen die Zuschauer. Genau sieben Minuten geht das Ganze.
Die Figuren erstrahlen in neuem Glanz. Sie wurden gesäubert, Farbschäden ausgebessert und mit Schutzlack bestrichen. Auch die Glocken wurden aufgearbeitet. Die Mechanik ist komplett erneuert. Das Glockenspiel wird nun nicht mehr über ein Lochband, sondern einen Computer gesteuert. Und eine kleine Veränderung gibt es im Ablauf der Musik: Vor der Renovierung endete das Glockenspiel rund zehn Sekunden bevor die Figuren wieder hinter der Tür verschwanden. Auch das wurde geändert. Die Musik endet nun mit dem Neusser Heimatlied — und viele Premierengäste singen es mit. Als sich die Türen schließen, brandet Applaus auf. Es gibt Freibier.
Stadtführer Lüpertz hat sich viel mit dem Glockenspiel beschäftigt. Er weiß, dass die Figuren in 40 Jahren rund 700 Kilometer gelaufen sind — „Ein Neusser Schütze muss dafür 30 Jahre mitmarschieren“. Aber eine Frage bleibt weiter offen: Wo ist das Modell von Vogthaus und Glockenspiel, das vor dessen Bau 1974 gemacht wurde? Das wüsste er wirklich gerne.