Neues Jahrbuch aus Neuss „Der Blick in die Vergangenheit macht uns zukunftsfähig“

Neuss · Gespannt wurde es erwartet, nun ist das neue „Novaesium 2024“ da. Auf 375 Seiten drehen sich die Beiträge um Geschichte, Kunst und Kultur der Stadt.

Das neue Jahrbuch ist da: Die Herausgeber Uta Husmeier-Schirlitz, Direktorin des Clemens-Sels-Museums, und Stadtarchivar Jens Metzdorf präsentieren es gemeinsam mit Kulturdezernentin Ursula Platen (M.).

Foto: Melanie Zanin/Melanie Zanin(MZ)

Es ist das älteste Denkmal der Stadt und birgt so manches Geheimnis: „Alle kennen das Quirinusmünster und meinen, viel darüber zu wissen“, sagt Stadtarchivar Jens Metzdorf. Doch dass es immer noch neue Entdeckungen gibt, hat zuletzt die Dissertation des Kunsthistorikers Cornelius Hopp gezeigt. Darin habe er laut Metzdorf „alle bisherigen Erkenntnisse gegen den Strich gebürstet“ und sich der Frage gewidmet, wo der Bau des Münsters 1209 begonnen hat. „Er hat begründete Zweifel daran, dass von West nach Ost gebaut wurde“, erklärt Metzdorf. Wer sich genauer in das Thema einarbeiten möchte, kann entweder die 448-seitige Doktorarbeit lesen oder auf eine komprimierte Fassung zurückgreifen. Die wurde jetzt – zusammen mit anderen Beiträgen rund um Neusser Kunst, Kultur und Geschichte – im neuen „Novaesium 2024“ veröffentlicht.

„Vorbestellungen hat es auch schon gegeben“, verrät Metzdorf. Denn diesmal ist das Jahrbuch, das bei vielen Neussern ein beliebtes Weihnachtsgeschenk ist, erst nach den Festtagen erschienen. Derweil steigerten Gutscheine unter dem Tannenbaum die Vorfreude. Und das Warten hat sich gelohnt: Ab sofort ist „Novaesium 2024“, das von Museumsdirektorin Uta Husmeier-Schirlitz und Jens Metzdorf herausgegeben wird, an allen bekannten Verkaufsstellen erhältlich.

„Ich bin beeindruckt, wie vielschichtig die Ausgabe ist“, sagt Kulturdezernentin Ursula Platen, die ihre Ausgabe schon mit einigen Lesezeichen versehen hat. Den „Zeitpunkt“, den in diesem Jahr Hermann Gröhe geschrieben hat, könne ihrer Meinung nach wie ein Leitfaden durch das gesamte Buch verstanden werden. Gröhe streicht darin unter anderem die Bedeutung von kommunaler Arbeit und Angeboten für die Demokratie aus – aber auch die Möglichkeit des Einmischens und Mitgestaltens spielen eine entscheidende Rolle.

Wieder bietet das Jahrbuch neue Forschungserkenntnisse aus den Bereichen Archäologie, Stadt- und Kunstgeschichte und enthält einen Dokumentationen-Part. „Der Blick in die Vergangenheit macht uns zukunftsfähig“, sagt Uta Husmeier-Schirlitz. Es geht zurück in die Römerzeit: Carl Pause und Andreas Wegert gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, ob es in Neuss-Reuschenberg ein römisches Übungslager gegeben hat. Und der Historiker Jost Auler beschäftigt sich mit speziellen Waffen: Dazu gehören etwa fünf gefundenen Schlaufenschleider, die mit verschiedenen Munitionsarten von Ton bis Blei geladen wurden.

Die Beiträge der jüngeren Stadtgeschichte beschäftigen sich sowohl mit lokaler Identität als auch mit Aufarbeitungsarbeit zur Zeit des Nationalsozialismus. Unter dem Titel „Schutzlos ausgeliefert“ gibt Jürgen Brautmeier eine Einordnung über Zwangssterilisationen und Todestransporte von Patienten während der NS-Zeit. Dann geht er der Frage nach, was mit Neusser Frauen geschehen ist, die aus dem St. Josef-Krankenhaus Ende 1944 nach Dingelstädt im Eichsfeld gebracht wurden. „Die Anregung gab es von einem Ortschronisten aus Dingelstädt“, sagt Metzdorf und fügt hinzu: „Es herrscht weiterhin viel Aufarbeitungsbedarf.“

Viele Leser werden noch Erinnerungen an die Traditionsgaststätte „Zum Marienbild“ haben. Die Geschichte des ehemaligen Bauwerks reicht bis zurück ins 16. Jahrhundert, wie Reinhold Mohr in seinem Aufsatz ausführt – in den 1970er Jahren wich es dem Bau des Kaufhofs. Zuletzt waren dort im Restaurant eine Skulpturen-Gruppe um die Mutter Gottes als Erinnerung an das „Marienbild“ zu sehen. Vorher waren sie im Giebel des ehemaligen Hauses ausgestellt. Bei der Räumung des Kaufhofs seien jene Figuren gesichert worden. Ebenfalls viele Erinnerungen werden die Leser mit dem Jahnstadion verbinden – dessen 100-jährige Geschichte Volker Koch beleuchtet.

Der kunstgeschichtliche Teil widmet sich dem jüngsten Restitutionsverfahren im Sels-Museum, um den Kauf eines Spilliaert-Gemäldes sowie um den Neusser Maler und Radierer Franz Bender. Spannend ist auch die Übernahme der Sammlung Schram durch das Stadtarchiv und eine bis vor Kurzem unbekannte Quelle, die Neues zur Erzbischhofwahl von Josef Frings ans Licht bringt.