„Die Sturheit von Luther hat mich beeindruckt“
Protestanten feiern am Montag den Reformationstag.
Neuss. Am Montag vor genau 494 Jahren soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben. Damit war die Reformation geboren. Protestanten auf der ganzen Welt feiern diesen Tag noch heute als Geburtsstunde ihrer Glaubensrichtung. Auch in Neuss gibt es einen zentralen Gottesdienst.
„Das ist ein wichtiger Tag für uns“, sagt Pfarrerin Ilka Werner, Vorsitzende des Verbandes der evangelischen Kirchengemeinschaft Neuss. Für sie bedeutet der Reformationstag nicht nur ein Rückbesinnen auf die Anfänge der evangelischen Kirche. Sie findet, dass der Tag auch dazu genutzt werden sollte, Bilanz zu ziehen. „Man muss quasi gucken, ob die Kirche ins Fitnessstudio gehört. Wo gibt es Probleme, wo müssen Dinge verändert werden — das sind die Fragen, die wir uns stellen sollten“, sagt Werner. Sie wird auch den gemeinsamen Verbandsgottesdienst zum Reformationstag am Montag um 19 Uhr in der Reformationskirche begleiten.
„Mich persönlich begeistert an Martin Luther seine unverbissene Sturheit. Er ist dabei geblieben und hat sich nicht von seinen Ideen abbringen lassen“, erzählt sie. Inhaltlich gefällt ihr vor allem das Ausrichten der Kirche allein an der Heiligen Schrift. „Das halte ich noch heute für einen Geniestreich“, so Werner. Da es nicht auf jede Frage aus der heutigen Welt eine Antwort in der Bibel gebe, rege das die Menschen an, sich ihre eigenen Gedanken zu machen und die Bibel eigenständig zu interpretieren.
Neben der Theorie, dass nur die Heilige Schrift zählt, kritisierte Luther zu seiner Zeit in starker Weise den Ablasshandel der katholischen Kirche. Seiner Meinung nach kann der Mensch Seelenheil nicht durch Taten erlangen, sondern nur durch seinen Glauben und Gottes Gnade.
Die Geschichte der evangelischen Gemeinden in Neuss begann 1806 mit der Übereignung der Kirche des Klosters Marienberg an die evangelische Gemeinde. Hundert Jahre später wurde die Christuskirche an der Breite Straße gebaut. Durch die Ansiedlung vieler Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Protestanten in Neuss stark an. 1964 wurde dann die eine bereits vorhandene evangelische Gemeinde in vier aufgeteilt.