Ehemals Hilfsbedürftiger ist heute Helfer
Die Kaarster Nepal-Initiative hat Suman Adhikari als Jungen unterstützt. Nun hilft er selbst.
Kaarst. Suman Adhikari ist 26 Jahre alt. Er wurde schon als Junge von der Kaarster Nepal-Initiative unterstützt, absolvierte ein Studium und hat einen guten Job. Jetzt betreut er ehrenamtlich rund 30 nepalesische Kinder, so wie er einst betreut worden war. Und zum ersten Mal in seinem Leben ist er zu Besuch bei Reiner Strauss, dem Vorsitzenden der Kaarster Nepal-Initiative. Es war bisher ein beeindruckender Aufenthalt, der nun, nach drei Wochen, zu Ende gehen wird. Und es war das erste Mal, dass Adhikari in einem Flugzeug gesessen hat.
Reiner Strauss hat doppelten Grund zur Freude: Zum einen, weil der, der einst Zuwendung erfuhr, jetzt selber Kinder unterstützt. Und zum anderen, weil es junge Kaarster gibt wie Patrick Reimann, die sich für die Nepal-Initiative interessieren. Der 24-Jährige, der in Bremen Schiffbau studiert, war bereits zweimal in Nepal gewesen. Jetzt zeigte er Suman Adhikari die Städte Bremen und Hamburg. Gesunde, salzhaltige Luft konnte der Gast aus Nepal auf einem Segeltörn auf der Nordsee mit Reiner Strauss atmen. Später, in der Düsseldorfer Altstadt, genoss er mehr als nur ein Glas Altbier. „Es ist sehr schön hier“: Auf diese kurze Formel bringt der junge Nepalese seine Eindrücke.
Reiner Strauss beschreibt die Situation in Nepal so: „Trinkwasser aus dem Wasserhahn ist dort totaler Luxus. Man muss dort mit sehr wenig zurecht kommen.“ Woran jedoch kein Mangel herrscht in dem zwischen Indien und China gelegenen Land: Es existieren über 100 ethnische Gruppen, die in sich jeweils sehr geschlossen sind. „Im Hinduismus ist die Frau die Dienerin des Mannes“, gibt Reiner Strauss zu verstehen. Arrangierte Ehen seien üblich, vor allem auf dem Land.
„Stadtluft macht frei“ hieß es im Mittelalter, und die Menschen in Nepal leben in der Stadt deutlich freier als auf dem Land. Das Problem: Es gibt kaum Städte. Kathmandu, die Hauptstadt Nepals, ist mit rund einer Million Einwohnern die mit Abstand größte Metropole. „Die zweitgrößte Stadt hat 250 000 Einwohner, die meisten Menschen leben auf dem Land“, erklärt Strauss. Und er weiß, dass die Leute auf dem Land konservativer denken. Suman Adhikari hatte das Glück, in Kathmandu studieren zu können. Das brachte ihm nicht nur Kenntnisse ein, die ihn jetzt befähigen, als Betriebsprüfer zu arbeiten, er konnte auch seinen Horizont erweitern. Das hat Auswirkungen aus sein künftiges Leben: Er ist ein Chhetri — das ist eine Kämpferkaste. Und er wird in Kürze eine Tamang heiraten, was bedeutet, dass seine künftige Ehefrau aus einer niedrigeren Kaste stammt. Dass er sich eine Tochter wünscht, zeigt ebenfalls, dass er sich von überkommenen Wertvorstellungen getrennt hat.
„Wer in der Hauptstadt studiert hat, hat das Bedürfnis, selbstbestimmt zu leben“, weiß Strauss, der zum 45. Mal nach Nepal fliegen wird. „Die Flüge haben mich bis jetzt fast 90 000 Euro gekostet.“