Eine Reise zu den Sternen
Mit lang anhaltendem Applaus quittierte das Publikum das 13. Neujahrskonzert in der Stadthalle.
Neuss. „Ich kann Sie nur beglückwünschen“, sagt Bürgermeister Herbert Napp und wendet sich direkt an die Zuhörer im Saal. „Sie haben den Weltuntergang überstanden“, stellt der Stadtchef süffisant und erleichtert fest. Nur wenig später fordert „Käpt’n“ Napp das Publikum auf, mit ihm die Enterprise zu besteigen, um in ungeahnte Galaxien vorzudringen — ein Düsseldorfer habe die zum Beispiel noch nie gesehen.
Unter dem Motto „Sternenzauber“ bietet die Deutsche Kammerakademie Neuss am Rhein (DKN) in der ausverkauften Stadthalle am Dreikönigstag ein unterhaltsames und fein abgestimmtes Programm. Das Orchester spielt populär-klassische Kompositionen — die Palette reicht vom einleitenden Satz „Allegro vivace“ aus Mozarts Jupiter-Sinfonie bis zum Csárdás aus der Fledermaus-Operette. Das Orchester aus Stipendiaten besticht in seinen Konzerten durch Präsenz und homogenen Klang — und auch gestern hört man Vertrautes manchmal wie neu.
Gastdirigent „Commander“ Darko Butorac hat das Neusser Ensemble fest im Griff. Auch wenn der sympathische Belgrader den Taktstock nicht so temperamentvoll wie Chefdirigent Lavard Skou-Larsen schwingt, versteht er es, seine Musiker auf diese Reise ins Weltall mitzunehmen.
Die blendend gespielte Eingangsnummer, die Ouvertüre aus der Oper „Die Reise auf den Mond“ von Jacques Offenbach, überzeugt gleich am Anfang und macht Appetit auf die ganze Oper.
Amüsant und erhellend sind zudem wieder die trocken humorigen Zwischenansagen von Daniel Finkernagel, der das Neujahrskonzert zum dritten Mal moderiert.
Finkernagel kennt sich in der rechtsrheinischen Galaxie aus: Der Kölner Komponist Max Bruch tat Offenbachs Operetten als niedlich ab, Bruch selbst habe letztlich jedoch nur einen einzigen Hit gehabt. Fenella Humphreys interpretiert auf der Violine dessen „One-Hit-Wonder“ besonders kraft- und gefühlvoll: das lyrische Adagio aus dem ersten Violinkonzert.
Für schwächelnde Sänger und Moderatoren hat die Konzertmeisterin aus ihrer Heimat noch einen Tipp parat: Ein hochprozentiger Hot Toddy macht die heisersten Stimmen wieder glockenklar. Talia Or hat einen Drink nicht nötig. Ihr Sopran reicht mühelos in schwindelnde Höhen, das beweist die Israelin in Puccinis Walzerarie „Quando me’n vo“ aus La Bohème. Finkernagel kommentiert es so: „Es geht um pure Lebensfreude, pure Amüsiertheit. Ich möchte das Wort Partyluder nicht in den Mund nehmen. Eine Frau verabschiedet sich von ihrem reichen Gönner und schmeißt sich einem jungen, aber armen Mann an die Brust. Es ist eine Geschichte, die es so nur in der Oper gibt.“ Applaus.
Talia Or überzeugt auch mit dem „Lied an den Mond“ aus der Oper Rusalka von Dvorák. Wassernixe Rusalka ist traurig und sehnt sich nach Liebe und Menschwerdung. „Sie jagt dem Glück hinterher und muss scheitern. Wie bei den van der Vaarts“, erklärt Finkernagel tiefenpsychologisch und beruft sich auf eine Boulevardzeitung.
Damir Orascanin entlockt seiner Violine einmalige Töne. Leider wird der serbische Geigenvirtuose die Kammerakademie wohl bald in Richtung Wien verlassen. Jubel und Zugaben (Offenbach und Strauss) belohnen das erfrischende Neujahrskonzert — eine wunderbare Sternenreise geht zu Ende.