Fackelzug stoppt den Regen

Das Wetter spielt mit: Schützen ziehen mit 97 Großfackeln durch das nächtliche Neuss.

Neuss. 18 Grad, einheitsgrauer Himmel und Dauerregen. Am Nachmittag geistert schon das Gerücht durch die Stadt, der Fackelzug könne abgesagt werden. So richtig ernst nimmt das keiner, doch der Blick nach oben verheißt nichts Gutes. Die in monatelanger Kleinarbeit gefertigten Großtransparente würden im Nu durchgeweicht sein. Kapitulation? Kommt nicht in Frage.

Also schieben die Schützen, viele selbst schon klatschnass, ihre rollenden Gefährte zur Aufstellung auf die Hafenstraße. Die meisten der 97 Großfackeln sind durch Plastikfolie geschützt, doch der Grenadierzug „D’r Maar erop“ meldet bereits einen Wasserschaden. Spiderman klettert auf der Zugfackel am Obertor hoch. „Durch den Regen ist auf der linken Torseite die komplette Elektronik ausgefallen. Mal schauen, ob wir das überhaupt noch in den Griff bekommen“, bedauert einer der Grenadiere. Gegen 20.45 Uhr plästert es immer noch. Doch plötzlich hört es auf. Um 20.55 Uhr setzt sich der Fackelzug am Niedertor in Bewegung, die Rathausampel schaltet auf Grün.

Echte Fackelzugbesucher laufen auch bei ungünstigen Bedingungen zu Hochform auf und lassen ihre Schützen nicht im Stich. Die Tribünen sind entsprechend gut besetzt. „Neuss feiert den Regen weg“, freut sich eine Zuschauerin auf der Insel-Tribüne mehrfach. „Das haben wir doch so bestellt“, erwidert ihre Sitznachbarin, freut sich glucksend und gießt noch einen Schluck Sekt nach. Da biegt auh schon der erste Großwagen auf den Markt ein.

„Wenn et Trömmelche jeht“ gibt der Fahnenzug eingangs den Takt vor. Die Fackelbauer haben eine riesige Trommel nachgebaut. Erster Applaus.

Der Grenadierzug Zunfttreue ist der erste von rund zehn Lichterwagen im gesamten Zug, die das Thema Rauchverbot aufgreifen. Sie zeigen einen qualmenden Stadtchef in seinem Büro. „Wo geht es denn hier zum Bürgermeister?“, fragt der Grenadierzug Münsterchor und liefert die Antwort mit: „Immer dem Qualm nach.“ Bei den Jägern „Munteres Rehlein“ sitzt der „Vesuv von Neuss“ in selbigem, der Rauch versperrt die Sicht.

Zahlreiche Schützenzüge haben wieder Themen aufgegriffen, die in den vergangenen Monaten für Gesprächsstoff sorgten. Die Motive reichen von 50 Jahre Bundesliga und Bayern-München-Triple, der Algenpest in der Jröne Meerke über das Schützendschungelcamp bis zum Berliner Flughafen und zur Euro-Rettungswurst, an der sich alle eine Scheibe abschneiden. Bissig und treffend werden die lokalen und überregionalen Themen umgesetzt. Der Eindruck drängt sich auf, dass sich die Fackelbauer noch mal gesteigert haben.

Schöner Einfall der Stifte: Bayern-Boss Uli Hoeneß zieht in seinem „Home Office“ hinter schwedischen Gardinen die Strippen.

Sogar die NSA-Affäre findet sich auf den Transparenten wieder („Wir wissen alles“). Das Gastspiel der CIA in einem Gebäude der Neusser Sparkasse („Agentennest 007“) ist ebenfalls ein Thema. „NoveCIA“ texten dazu die Lauschepper.

Der Flaschenzug baute für seinen Schützenkönig Jörg I. eine Kutsche. „Dem König seine Kutsche, sein Elefant“, titeln die Mödköttel, die mit ihrem lebensgroßen Elefanten aus Transpararentpapier ordentlich beklatscht werden.

„Treu zur Vaterstadt“ feiern das 190-jährige Bestehen ihres Korps. Die Jäger lassen grün-weiße Luftballons in den Nachthimmel steigen.

Bei den Steinadlern dreht sich St. Quirin auf einer Weltkugel und die Corneliusjonges wissen, dass ohne den Schützenzaubertrank „Alt“ gar nichts läuft.

Häufig gewähltes Thema: das 60-jährige Bestehen der Augsburger Puppenkiste mit Dampflok Emma. Die Erfttrabanten der Schützengilde beteiligen sich an der Energiewende: „Morgens, wenn er Zeitung las, erzeugte er schon Biogas“, heißt es da. Weitere Erklärungen zur Fackel verstehen sich von selbst.

Die Zugvögel bauten zu ihrem 25-jährigen Jubiläum einen „Silbervogel“. Im Cockpit sitzen Oberleutnant Jens Metzdorf und Leutnant Johannes Lambertz. Ganz hinten in der Maschine hat auch der Bundespräsident noch einen Platz gefunden.

Bis zum Schluss um 23 Uhr bleibt es trocken, und auf dem Kirmesplatz wird bis tief in die Nacht weiter an der Stimmungsschraube gedreht.