Gaffer behindern Rettungskräfte

Ein Feuerwehrmann appelliert im Netz für mehr Menschlichkeit. Er erhält bundesweit Unterstützung.

Foto: Bothe

Rosellen. Von der Resonanz war Feuerwehrmann Christopher Lischke selbst überrascht. Freundschaftsanfragen aus ganz Deutschland trudelten am Wochenende auf Facebook bei ihm ein. Nach einem Einsatz in Rosellen hatte Lischke der Frust und die Fassungslosigkeit über die vielen Gaffer einfach nicht losgelassen. Am Freitagabend war es auf der Albertus-Magnus-Straße zu einem Autounfall gekommen, dabei wurde — wie die Polizei gestern mitteilte — eine 29 Jahre alte Autofahrerin verletzt. Lischke war als Helfer vor Ort und kümmerte sich um die Verletzte. Immer wieder machten Schaulustige während des Einsatzes am Unfallort Smartphone-Bilder. Ein Verhalten, das die Rettungskräfte bei der Arbeit störte.

Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, war der Ärger des Feuerwehrmanns noch nicht verraucht. Also schrieb er in der Facebook-Gruppe „Neuss-Allerheiligen“ einen sachlichen Appell für mehr Feingefühl und weniger Sensationsgier — kurz: für mehr Menschlichkeit rund um Einsatzorte. Innerhalb von 24 Stunden wurde der Beitrag mehr als 2000 mal geteilt — danach wurde die Funktion offenbar deaktiviert.

Der Beitrag soll möglicherweise in Kürze als „Gedanken eines Feuerwehrmanns“ auch auf der Internetseite der Feuerwehr Neuss zu lesen sein. Das, was Lischke beschreibt, ist schließlich kein Einzelfall. Dennis Telaar, Mitglied des Leitungsteams der Feuerwehr Neuss und stellvertretender Löschzugführer in Rosellen, erklärt, dass die Hemmschwelle von Schaulustigen zunehmend sinke. „Früher gab es eine Art natürliche Distanz und Barriere, da wurden Grenzen nicht überschritten“, sagt Telaar. „Diese Barriere gibt es nicht mehr.“

Dass Schaulustige immer wieder Smartphone-Fotos von Opfern und Verletzten machen, um sie im Internet zu teilen, stimmt Telaar nachdenklich. Er sieht es auch als Aufgabe der Einsatzkräfte, dies zu verhindern. „Es geht hier um die Würde des Menschen — und darum, die Privatsphäre von Opfern zu schützen“, betont Telaar. Ähnlich argumentiert auch Lischke in seinem Facebook-Beitrag: Es sei nicht besonders hilfreich wenn man Menschen, die sich gerade in einer absoluten Ausnahmesituation befinden, beschimpft, beleidigt, bepöbelt, fotografiert. Denn auch der Ton manches Schaulustigen am Einsatzort sei der Situation nicht angemessen gewesen.

Für die Einsatzkräfte sind Schaulustige — nicht zu verwechseln mit Helfern und Zeugen — ein großes Problem. Telaar betont, früher habe es gereicht, wenn ein Polizist oder Feuerwehrmann die Schaulustigen aufforderte, weiterzugehen. „Heute kommt es immer wieder zu Situationen, wo wir einen Einsatzort mit Flatterband absperren müssen, um Schaulustige fernzuhalten. Das alles bindet Ressourcen“, sagt Dennis Telaar.