Gut eingerichtet: 60 Jahre im Gardinenhaus - Trude Piel
Seit Jahrzehnten leitet Trude Piel das Fachgeschäft am Markt. Am Donnerstag wurde sie 80.
Neuss. In den 70er Jahren war die Ado-Gardine („Die mit der Goldkante!“) der Inbegriff häuslichen Glücks — passend zum Flokatiteppich und dem farngrünen Wählscheibentelefon. Die Zeiten ändern sich, doch abseits der alten Betulichkeit mit Glitzerfaden im Saum gibt es die Gardinen noch. „Ja, selbstverständlich. Die werden oft nachgefragt“, bestätigt Trude Piel. Die Inhaberin des Gardinenhauses Piel kennt sich aus. Die Neusserin steht seit 60 Jahren hinter der Verkaufstheke. Am Donnerstag feierte sie ihren 80. Geburtstag.
Im Traditionshaus am Markt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Auf den ersten Blick fallen die Stoffmuster auf, von knallig bis schlicht, gemustert oder einfarbig. Das Sortiment an Vorhangstangen steht den Stoffen in nichts nach. Verspielt, verschnörkelt oder verziert: Auch die Auswahl an Tischdecken und Kissenbezügen ist umfangreich. Taschen mit Gobelinstickerei stehen im Schaufenster, gehäkelte Borden gibt’s für 1,75 Euro. Eine Pfaff-Nähmaschine aus den 60er Jahren hat ebenso wenig ausgedient wie die alte Registrierkasse. „Meine Kinder können es anders machen, aber für mich geht es auch ohne Computer“, sagt Trude Piel.
Die 80-Jährige ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Mit ihrem Mann Werner, einem Raumausstatter, eröffnete sie ihr erstes Fachgeschäft für Gardinen am Münsterplatz. Das war im Jahr 1950. „Damals gab es noch den Gemüsemarkt, so kam viel Laufkundschaft.“ Früher habe sie die Stoffe noch als Meterware vom Ballen verkauft; vorzugsweise Baumwolle, erst später kamen pflegeleichtere synthetische Stoffe hinzu. Raffgardinen mit Spitzen und Rüschen — der Stolz jeder Hausfrau in der Wirtschaftswunderzeit — seien nicht mehr so gefragt. „Der Kunde ist anspruchsvoller geworden.“ Das Kaufverhalten habe sich zugunsten von Rollos, Schiebegardinen oder Plissees verändert. „Die verkaufen wir natürlich auch, wir bieten für jeden Einrichtungsstil etwas.“ Einmal habe ein Kunde für tausende Mark Fensterbehänge bestellt, die fertige Ware aber nie abgeholt. „Seitdem nehme ich eine Anzahlung“, erzählt sie.
1988 folgte der Umzug zum Markt. Die Glanzzeiten von damals seien sicherlich vorbei, bedauert Piel, aber ans Aufhören denkt die 80-Jährige nicht. „Ich bin gern in meinem Laden.“ Viele Stammkunden seien seit Jahrzehnten treu. Eine gute Beratung und ein gutes Arbeitsklima machten eben viel aus, meint Verkäuferin Ursula Hansen, die schon seit 24 Jahren im Gardinenhaus tätig ist. Langhaardackel Lucky gehört auch schon viele Jahre zum Team.
Nachdem ihr Mann Ende der 80er Jahre starb, hat Trude Piel nicht eine Sekunde gezögert, das Geschäft weiterzuführen, „nur die Filiale in Huma-Center haben wird aufgegeben“. Um die Nachfolge des Familienunternehmens muss sie sich nicht sorgen: Sohn Bernd und Enkelin Elaine sind Raumausstatter und unterstützen die Seniorchefin schon jetzt.