Kinderbetreuung in Neuss Stadt rechnet mit Mehrkosten in Millionenhöhe

Neuss · Das so genannte Kita-Rettungspaket des Landes und die vom Rat beschlossenen Verbesserungen für die Tagespflegepersonen belasten den defizitären Haushalt zusätzlich. Worum es geht – und was es kostet.

Die Situation der Tageseltern wird sich verbessern. Der Rat beschloss die Erhöhung der bezahlten Ausfalltage, obwohl die Verwaltung vor den damit verbundenen Kosten warnte.

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Die Kosten für die Kinderbetreuung wachsen der Stadt allmählich über den Kopf. Bis 2027 werden die Ausgaben allein aus dem Budget für die Kindertagesbetreuung von 98,4 in diesem Jahr auf 116,4 Millionen Euro anwachsen, rechnet Kämmerer Frank Gensler vor. Aber wie verlässlich ist diese Prognose, wenn immer neue Sondereffekte eintreten?

Eine Unsicherheit ergibt sich aktuell aus dem sogenannten Kita-Rettungspaket des Landes, das der Städtetag NRW am Dienstag als völlig unzureichend zurückgewiesen hat. An diesem Votum nahm auch Bürgermeister Reiner Breuer teil, der – sollte das Land nicht mehr einlenken – Mehrkosten in Höhe von sechs Millionen Euro jährlich auf die Stadt zukommen sieht. Eine spürbare Mehrbelastung ergibt sich aber auch aus dem jüngsten Ratsbeschluss, mit dem Tagespflegepersonen ab Oktober durch bezahlte Krankheitstage besser abgesichert werden. „Damit wird ein neuer Finanzierungsrahmen aufgemacht“, betonte Breuer im Rat.

Breuer warb dafür, diesen Punkt, der die Stadt etwa 400 000 Euro im Jahr zusätzlich kosten wird, nicht zu beschließen, sondern im Rahmen der Etatberatungen zu diskutieren. „Wer heute entscheidet, kann das morgen nicht mehr zurückholen“, warnte Breuer, der von anderen Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation sprach. Doch stimmten CDU, SPD, Grüne und „Die Partei/Die Linke“ für diese Verbesserung. Damit werde kein Vorteil gewährt oder gar Bonus gezahlt, betont Vincent Ciesla (Die Linke), vielmehr werde ein Ausgleich für einen bestehenden Nachteil geschaffen. Und Susanne Benary sprach von einem „klaren Signal an alle Familien und Tagespflegeeltern.“

Die Tagesmütter und -väter, die vor allem in der Betreuung von Kindern unter drei Jahren engagiert sind, hatten sich im Mai über – ihrer Ansicht nach – unhaltbare Arbeitsbedingungen beklagt. Konkret ging es der IG Kindertagespflege um die sogenannten bezahlten Ausfalltage. 30 dieser Tage können die Tagespflegepersonen derzeit in Anspruch nehmen, allerdings werden auf dieses Kontingent nicht nur Urlaubs-, sondern auch Krankheitstage angerechnet. Mit der vom Rat neu festgelegten Satzung werden nun „maximal 21 nachgewiesene Krankheitstage pro Jahr finanziert“. Das entspricht exakt dem Wunsch der IG Kindertagespflege, dem sich der Jugendhilfeausschuss schon im Juni anschloss.

Gravierender als der Beschluss zur Stärkung der Kindertagespflege wären die finanziellen Konsequenzen, die aus dem jüngsten Vorschlag des Landes zur Kita-Sicherung erwachsen könnte. Die Dramatik ließ sich auch an der langen Debatte im Jugendhilfeausschuss ablesen, der am Ende unterstrich, die Vielfalt der Kita-Landschaft erhalten zu wollen, dabei aber auf mehr Unterstützung des Landes pocht.

Massive Kritik äußerte zuvor die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände. Ihr Sprecher Jens Röskens vom SkF rechnete vor, dass die – nicht gegenfinanzierten – Mehrkosten pro Vollzeitstelle in diesem Jahr auf einen Betrag zwischen 4600 und 6800 hinauslaufen werden. Als Grund dafür führt er Inflationsausgleichsprämien und einen in dieser Höhe nicht erwarteten Tarifabschluss an. Auch die Sachkosten stiegen im Schnitt aufgrund von Inflation und hohen Energiepreisen um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Diese Kosten treffen auf eine gesetzliche Systematik zur Anpassung der Finanzierung, die der Lage in keinster Weise gerecht wird“, betont Röskens weiter.

Während nämlich alleine wegen der Personalkosten die Aufwendungen für eine viergruppige Kita mit 13 Vollzeitstellen um 53 000 Euro jährlich steigen lässt, erhält die Stadt, wie Nadine Baude von der SPD betont, nur knapp 10 000 Euro je Kita aus der Überbrückungshilfe der Landesregierung. Das Delta auszugleichen, belaste den Haushalt über Gebühr, fügt der SPD-Vorsitzende Heinrich Thiel hinzu.

Politik und Verwaltung sehen das Land in der Pflicht. „Gleichwohl stellt sich die Stadt Neuss ihrer Verantwortung“, betont Bürgermeister Breuer. Die Zusage, bei erkennbaren Härtefällen zu helfen, steht. „Ziel bleibt, dass wir die Träger bei der Gewährleistung der Kinder-Betreuung unterstützen.“