Kleiderstuben im Konkurrenzkampf
Die Düsseldorfer Diakonie eröffnet ein „Fairhaus“ in bester Neusser Geschäftslage. Sozialverbände vor Ort sind verärgert.
Neuss. Sozial, ökologisch, integrativ: Mit diesen drei Adjektiven umreißt das „Fairhaus“ sein Profil. „Expansiv“ könnte man noch hinzunehmen. Denn die Sozial-Warenhauskette der Renatec, einem 100-prozentigen Tochterunternehmen der Diakonie Düsseldorf, versucht nun in Neuss zu landen. Am 22. März soll im Haus Oberstraße 97, vis-a-vis zum Landestheater, in einer 1-A-Lage die dann neunte Fairhaus-Filiale eröffnen. Die Sozialverbände vor Ort sehen das gar nicht gerne. Es ärgere sie, sagt Rebecca Schuh von der Neusser Tafel, dass „sich viele mit dem Deckmäntelchen der Mildtätigkeit“ kleiden — wo es doch ums Geschäft geht.
Dieses Geschäft lebt vom Überfluss der einen — und der Armut anderer. Die Caritas erkannte als erste die Aufgabe aber auch die Chance, mit ihrem Sozialkaufhaus an der Schulstraße Mittler zwischen beiden Gruppen zu sein und Dinge weiter nutzbar zu halten und Bedürftigen zugänglich zu machen, die sonst wahrscheinlich auf dem Müll gelandet wären. Das DRK folgte mit seinem Second-Hand-Laden an der Friedrichstraße, die Tafel mit ihrem Shop an der Düsseldorfer Straße. Und nun erreicht dieses Geschäftsfeld mit dem „Fairhaus“ den Hauptstraßenzug. „Danach können sicher einige Anbieter die Schotten dicht machen“, sagt Schuh .
Diese Anbieter konkurrieren künftig auf unterschiedlichen Ebenen miteinander. Alle hängen mehr oder weniger von Sachspenden ab, die ihnen Privatpersonen zukommen lassen. Für das „Fairhaus“ bilden diese Spenden allerdings nur eine von drei Säulen, sagt Renatec-Betriebsleiter Michael Wirtz. Firmenspenden — zum Teil mit leichten Fehlern, die im Betrieb aufgearbeitet werden — und aufgekaufte Restposten kämen hinzu, sagt er. Caritasdirektor Norbert Kallen vermutete aber auch einen Konkurrenzkampf um Köpfe. Hauptziel des Caritas-Kaufhauses sei es nicht, mit der Bedürftigkeit ein Geschäft zu machen, sondern „Arbeitsplätze für Menschen einzurichten, die abgehängt wurden.“ Sie sollen durch dieses Arbeitstraining, bei dem die Caritas Partner von Jobcenter wie auch vom Rhein-Kreis ist, wieder an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden. „Da muss man sich schon fragen“, sagt Kallen, „warum sich ein weiteres Sozialkaufhaus mit ähnlichen Ansprüchen da etablieren will?“
DRK-Geschäftsführer Marc Dietrich findet es ärgerlich, „wenn sich auf einem eh schon engen Markt zu viele Akteure tummeln“. Und das hat auch mit den Erlösen zu tun. Er geht zwar nicht so weit wie Schuh, die sich Gebietsabsprachen wünschen würde, fände es aber schön, wenn lokale Initiativen einen kleinen Vorteil genießen. „Wir lassen das Geld ja auch in der Region“, sagt er, denn der Erlös fließe in Beratungs- und Förderangebote vor Ort.
Diakonie-Vorstand Christoph Havers betont, dass das „Fairhaus“ nicht auf Einladung nach Neuss kommt. „Man hat mit uns gesprochen, als es schon entschieden war“, sagt Havers — allerdings ohne Groll. „Wir selbst wollten dieses Geschäftsfeld nicht besetzen.“