Nachtruhe mit Kabel und Sensor
Pro Monat übernachten 120 Patienten im Labor an der Nordkanalallee.
Neuss. Die Haut spannt. Neun Elektroden sind mit Pflastern am Kopf fixiert — am Hinterkopf, am Kinn und an den Schläfen. Zwei weitere kleben auf der Brust, vier an den Beinen und ein Schnarchsensor am Kehlkopf. Der Brustgurt mit Lagesensor zwickt. Er liegt genauso eng an wie der Bauchgurt. Der ganze Körper ist verkabelt, und durch die Maske strömt Sauerstoff.
„Ganz normal ein- und ausatmen“, sagt Schlafmediziner Alexander Trappe. Der Luftwiderstand erschwert die Umsetzung, wirkt befremdlich. Atmen ist auf einmal anstrengend. „So bleibt der Rachen nachts offen“, sagt Trappe. Damit haben die meisten Patienten des Neusser Schlaflabors im Sankt-Josef-Krankenhaus ein Problem.
Schlafapnoe heißt die Diagnose, bei der die Rachenmuskulatur völlig entspannt — bis der Rachen schließt. Die Folge ist Atemstillstand. Das Gehirn veranlasst eine Weckreaktion, so dass die Muskeln wieder anspannen und der Atemweg sich öffnet.
„Ein Patient hatte mehr als 80 Atemaussetzer pro Stunde. Der Schlaf ist dann nicht erholsam“, sagt Trappe, der das Labor seit April 2009 mit Knut Ehlert betreibt. Die beiden Schlafmediziner haben eine Gemeinschaftspraxis an der Hamtorstraße. Das Labor an der Nordkanalallee gehört dazu.
„Manche Menschen haben, bevor sie zu uns kamen, 30 Jahre lang nicht richtig geschlafen“, sagt Trappe. Die Patienten litten unter Sekundenschlaf, Kopfschmerzen und mangelnder Konzentration. Langzeitfolgen der Schlafapnoe sind Herzbeschwerden und hoher Blutdruck. Es kann zum Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall kommen.
Rund 120 Patienten schlafen pro Monat im Labor. Fünf Einzelzimmer sind für sie reserviert. Zuvor verbringen die Patienten zu Hause eine Nacht mit einem Messgerät — zur ersten Diagnose. „Dann kommen sie ins Labor. Hier bleiben sie in der Regel drei Nächte“, sagt Ehlert.
Die Patienten treffen gegen 20 Uhr ein, werden verkabelt, schlafen, gehen am nächsten Morgen nach Hause und kommen abends wieder. „Die Menschen, die hierher kommen, sind so müde, dass sie auch verkabelt einschlafen“, sagt Trappe.
Die erste Nacht dient der Diagnose. Computer zeichnen die Messwerte auf — Atemfluss, Gehirnströme, Herzfrequenz, Sauerstoffgehalt im Blut, Bewegungen der Augen und Beine sowie Schnarchgeräusche. Eine Kamera filmt den Patienten.
Dann beginnt die Therapie. „Der Patient schläft zwei Nächte mit einer Atemmaske. Er hat keine Aussetzer mehr, erholt sich und ist glücklich“, sagt Trappe. „Zuhause trägt er die Maske dann regelmäßig. Das ist wie mit einer Brille, die hilft, sobald man sie aufsetzt.“ Im nächsten Jahr soll das Labor einen weiteren Schlafplatz erhalten.
Die Nachfrage ist groß. „In Deutschland leiden vier Prozent der erwachsenen Männer und zwei Prozent der Frauen unter Schlafapnoe“, sagt Ehlert. Außerdem therapieren die Ärzte Narkolepsie — eine neurologische Störung des Schlafrhythmus, die medikamentös behandelt wird.
Zudem soll Menschen, die unter Depressionen leiden und deshalb nicht einschlafen können, ab Herbst ein Schlaftraining angeboten werden. „Ein Psychologe übt mit Patienten dann, wie man sich, bevor man ins Bett geht, so verhält, dass man anschließend einschläft“, sagt Martin Köhne, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses — guter Schlaf ist eben wichtig.