Neuss: Beratung - immer mehr Spielsüchtige

Auch Frauen und Jugendliche suchen zunehmend die Beratungsstelle auf. Schuld ist auch der Poker-Boom.

Neuss. Sie sind meist männlich, zwischen 25 und 40 Jahre alt. Ihre Zahl steigt stetig. Seit 2008 ist die Zahl Glücksspielsüchtiger und deren Angehöriger , die sich hilfesuchend an die Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas wenden, um rund 10 Prozent gestiegen. In Düsseldorf sind die Kollegen so überlastet, dass sie ihre Klienten nach Neuss verweisen.

Für Verena Verhoeven, Leiterin der Neusser Stelle, ist der Fall klar: Angebot macht Nachfrage. Die Zahl der Glücksspielautomaten im Rhein-Kreis Neuss ist von 392 im Jahr 2006 auf 556 im Jahr 2008 um fast die Hälfte gestiegen. Damit nehme auch die Gefahr, mit dem Spiel in Berührung zu kommen und abhängig zu werden, zu.

"Die Automaten finden sich heute überall, im Supermarkt, in der Kneipe oder im Restaurant", sagt sie. "Da muss dringend etwas getan werden." Verhoeven sieht dabei auch die Politik in der Pflicht: "Es ist auch wichtig, dass das Thema in die Ausschüsse kommt."

83Angehörige von Glücksspielsüchtigen und 194 direkt Betroffene suchten im vergangenen Jahr Hilfe in der Beratungsstelle. Sie alle hatten das Pech, wie Verhoeven sagt, die ersten Spiele am Automaten, am Spieltisch, im Netz, zu gewinnen. Der Gewinn macht glücklich, und wenn es zu Hause nicht so gut läuft, kann das Spiel schnell zur Stütze werden. Verhoeven nennt das Beispiel eines Familienvaters, der, von der Frau verlassen, die Einsamkeit vor dem Automaten bekämpfte.

Zunehmend wenden sich auch Frauen und Jugendliche an die Fachstelle. "Frauen fühlen sich in der Spielhalle aufgehoben, die Servicekräfte sind zuvorkommend. Anders als vielleicht bei der Kneipe trauen sie sich auch allein in die Spielhalle."

Die Jugendlichen sieht Verhoeven auch als Opfer jener Industrie, die in den vergangenen Jahren das Pokerspiel vermarktete und mit Tennisstar Boris Becker warb. "Die Werbung suggeriert, Poker sei ein Kompetenzspiel." Dies sei ein verheerender Rückschluss. "Wer verliert, versucht, das Geld zurückzuholen. Ein Teufelskreis."

Sie plädiert auch an die Eltern, die Augen offenzuhalten. "Im Internet ist es egal, ob der Spieler 17 oder 20 Jahre alt ist." Anders als erwachsenen Spielern, die im Schnitt erst nach zehn Jahren Hilfe suchten, sei Jugendlichen schneller zu helfen. "Die Teilnahme am Spiel lässt sich dann noch als Erfahrung verbuchen."