Neuss: Chinesen fehlt das Jeck-Enzym
TaS-Ensemble traf zielsicher und wunderbar zynisch die wunden Stellen in Stadt und Land.
Neuss. Nicht nur die Stadt Neuss - nein, das komplette Bundesland wurde bei der Stunksitzung aufs Korn genommen. Zielsicher traf das Ensemble des Theaters am Schlachthof (TaS) die wunden Stellen von NRW.
Eingepackt wurde die Darstellung der Peinlichkeiten und Schwächen von Stadt und Land in eine absurde Geschichte nach Stunkmanier: Bevor die Chinesen die ganze Republik raubkopieren, wolle man ihnen lieber ein Stück Land verkaufen. Die Wahl fiel auf NRW und so warfen die Moderatoren einer NRW-Nachrichtensendung (Franziska Lehmann und Harry Heib) zusammen mit dem Publikum einen letzten wehmütigen Blick auf die Heimat, bevor die Verschiffung nach Peking ansteht.
Die Stunksitzung wäre nichts ohne die Veralberung von traditionellem Karnevalsgebaren und so stand an erster Stelle des Rückblicks natürlich der Karneval. Zur Melodie von "Jungledrum" sangen sich Carolin Stähler und Jens Kipper als Prinzenpaar ihren Frust vom Leib: "Helau, wir sind das Prinzenpaar und machen humbahumbatäterätätätä." Ein stimmungsvoller Auftakt für das, was noch folgen sollte. Strunz und Möller (dargestellt von den Autoren Martin Maier-Bode und Jens Neutag) berichteten in ihrer ruppigen Art von ihren erfolglosen Versuchen, den Chinesen den Karneval beizubringen.
Doch: "Denen fehlt das Jeck-Enzym, um Kamelle verarbeiten zu können." Und dann tauchten zu allem Übel auch noch Stasiakten auf, in denen Pläne zu Unterwanderung des rheinischen Brauchtums gefunden wurden. Mit großer Begeisterung und unter tatkräftigem Einsatz von roten Wink-Elementen (Papierservietten) skandierte das Publikum die sozialistischen Slogans wie "Gerettet aus der Dekadenz, das Rheinland dankt dem Egon Krenz".
Immer wieder unterbrach das Ensemble der Stunksitzung den Rückblick auf NRW durch kleine Einschübe ohne Themenbezug, die aber nicht die zunehmend ausgelassene Laune des Publikums minderten.
Sabine Wiegand brillierte etwa als "Dat Rosi" oder als "Angie und die Wikinger" bei dem Versuch, eine gute Idee zu haben, um das Koalitionsschiff aus dem Schlick zu ziehen. Aber auch Neuss bekam den Stunk zu spüren: das Lied "Hier herrscht der Muff, regiert der Mief", der Vergleich der Neusser Stimmung mit dem Nachtleben auf der Hallig Hooge und die Bezeichnung als Nothaltebucht für Autofahrer auf dem Weg nach Düsseldorf forderten vom Neusser Publikum eine Menge Selbstironie.
Deutlich lustiger fand man dementsprechend auch die von Schadenfreude und Stereotypen gezeichnete Parodie zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan und der Dienstwagenaffäre um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: "Als man Schmidt den Dienstwagen geklaut hat, hätte man doch auch Spanien bombardieren können", sinnierte Verteidigungsminister "ab und zu Guttenberg".
Für die Stunksitzung gab es ein durchweg gutes Ende: NRW hatte kurz vor der Verschiffung vom Geld der Chinesen deren Land komplett gekauft. Das Publikum feierte das mit großer Begeisterung und forderte das Ensemble zu zahlreichen Zugaben heraus, die mit dem gemeinschaftlichen Tanz um die Tische endeten.