Fünf Fakten zur Graffiti-Kunst Die „Hall Of Fame“ der Sprayerszene

Neuss. · In 30 Jahren haben sich Graffiti-Sprayer in Selikum und am Adenauer-Ring ein eigenes Universum geschaffen. Einblick in ihre Regeln vermittelt der erfahrene Sprayer Alessandro Althaus.

Sprayer-Müll in der Böschung am Adenauer-Ring.

Foto: Christoph Kleinau

Fast noch wichtiger als die Farbdose ist für Graffiti-Sprayer die Kamera. Denn „unsere Kunst ist vergänglich“, sagt Alessandro Althaus (34), der in der Graffiti-Szene besser unter dem Tag „Oldhouse“ bekannt ist, und der die Wand der ehemaligen Schraubenfabrik an der Further Straße nicht nur (legal) gestaltet, sondern für sich auch gleich fotografisch dokumentiert hat. Mit dem Abriss der Fabrik, der im Februar beginnen soll, ist dieses Kunstwerk genauso akut gefährdet wie die in einem Mural-Art-Projekt von Konzeptkünstlern geschaffene, großflächige Fassadengestaltung am Hochbunker Adolf-Flecken-Straße, der in absehbarer Zeit für Wohnzwecke umgebaut wird.

Ein etwas längeres Leben ist manchem der Bilder beschieden, die auf den Betonwänden am Nixhütter Weg oder am Konrad-Adenauer-Ring entstanden sind. Sie sind die einzigen Flächen im Stadtgebiet geblieben, wo sich ohne behördliche Genehmigung jeder Sprayer ganz legal künstlerisch ausdrücken darf. In 30 Jahren ist dort eine im Graffiti-Jargon bezeichnete Hall of Fame entstanden. Ein Ort, an dem sich insbesondere erfahrene Writer (sogenannte Kings) treffen und wo anspruchsvolle Graffiti gemalt werden. „Oldhouse“ ist einer von ihnen.

Der 34-Jährige hat 1998 als Jugendlicher angefangen, mit Sprühlack Bilder zu malen. Illegal, wie viele andere auch. 2001, nachdem er Probleme mit der Familie, dem Gesetz und anderen Malern bekommen hatte, ließ er das Sprühen sein, zeichnete aber weiter „wie ein Verrückter“, wie er sagt. Diese Atelierarbeit hat er beibehalten, als er 2007 der illegalen Szene Adé sagt und zum Auftragsmaler wurde. Motive, so vermittelt er inzwischen in Kursen und Workshops, müsse man erst so oft auf Papier skizzieren, bis man sie fast blind zeichnen kann. Erst dann sei man so weit, das Bild vom Malblock auf eine Wand zu skalieren. Doch viele ziehen einfach so los, sagt er über eine Szene, in die noch immer die meisten einen Einstieg als Autodidakt suchen.

Die aufwändigeren Arbeiten
werden oft gezielt besucht

An Nixhütter Weg und Adenauer-Ring finden sich die Einsteiger-Arbeiten meist an den Seiten. Dort, wo die Wände der Unterführung immer flacher werden. Zur Mitte der Unterführung hin sind dann die aufwändigeren Arbeiten zu sehen, die von Spaziergängern gezielt besucht werden. Für „Oldhouse“ sind sie der Raum, wo er sich ausprobieren, experimentieren und das malen kann, was er in seinem Skizzenbuch festgehalten hat.

Althaus hat den Wandel in der Szene miterlebt, deren Arbeiten – als er anfing – von vielen noch als Schmierereien verunglimpft wurden. Doch die Sicht auf diese Kunst hat sich geändert. Und sie hat Förderer wie Kulturamtsleiter Harald Müller gefunden, der die Hall of Fame vor Jahren gemeinsam mit Jugendlichen etabliert, genau wie Hans Ennen-Köffers vom Kulturforum Alte Post. In dieser Einrichtung wird Graffiti seit 2006 als Kunstform anerkannt und hat dort einen Platz. Darauf reagiert die Szene auf ihre Weise. Seit mit städtischer Unterstützung und Billigung große Wandbilder etwa am Hamtorwall entstanden, gab es, so Ennen, „keine Schmierereien mehr an den Gebäuden in unserem Viertel.“