Stadtentwicklung in Neuss Händler laufen Sturm gegen die autofreie Innenstadt

Neuss. · Händler werfen dem Bürger-Forum „Neuss Agenda 21“ vor, mit seinen Plänen für mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt das Gegenteil zu bewirken. Sogar von „Arbeitsplatzvernichtung“ ist die Rede. Das Bürger-Forum wehrt sich.

Es gibt Vorschläge, die Sebastianusstraße zur Fahrradstraße zu machen.

Foto: Simon Janßen

Der Vorstoß des Bürger-Forums „Neuss Agenda 21“ für eine weitgehend autofreie Innenstadt trifft auf Widerstand von Händlern und Geschäftsinhabern. In einem Brief warnen sie vor möglichen Folgen. Tenor: Das Bürger-Forum fördere mit seinen Forderungen die „Arbeitsplatzvernichtung“. Stein des Anstoßes ist unter anderem die Idee, die Sebastianusstraße in eine reine Fahrradstraße zu wandeln. „Wir, die Unterzeichner, haben unsere Geschäfte zum Teil bereits seit vielen Jahren an diesem Standort. Für uns ist und bleibt die vielseitige Erreichbarkeit überlebenswichtig“, heißt es in dem Schreiben. „Durch die Vorschläge des Forums werden Menschen, die nicht ohne weiteres das Fahrrad oder den
ÖPNV nutzen können, regelrecht ausgegrenzt.“ Zehn Händler haben den Brief unterschrieben. Initiator Michael Ritters betont: „Danach kamen noch 20 bis 25 weitere Unterstützer zu mir und sagten: Wir sollen am Ball bleiben und uns wehren.“ Gerade jetzt, wo der Handel nach dem Corona-Lockdown wieder anzieht, ist es ein sensibles Thema.

Das Forum Stadtentwicklung der Neuss Agenda 21 wehrt sich gegen die Vorwürfe. In einem offenen Antwortschreiben, das an die Händler unterwegs ist und unserer Redaktion vorliegt, werden die Händler zum Dialog eingeladen. Ziel sei schließlich keine Arbeitsplatzvernichtung, sondern die Stärkung der Innenstadt. Man habe daher eine E-Citybuslinie nach Vorbild der Stadt Monheim vorgeschlagen, die die Menschen mit kleinen Elektrobussen als Ringlinie durch die City befördern und auch die Parkhäuser anfahren soll. Außerdem sollen die Taktzeiten im ÖPNV erhöht und die Fahrpreise reduziert werden. Roland Kehl, Sprecher des Forums, betont, dass die Infrastruktur für den Rad- und Busverkehr erst verbessert werden müsse, bevor Schritte zur Reduzierung des Auto-Individualverkehrs erfolgen. „Wir haben Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs gemacht, wo Neuss gegenüber vergleichbaren Städten noch hinterher hinkt.“

Das Forum Stadtentwicklung
teilt die Befürchtungen nicht

Die Händler ihrerseits haben betont, dass gerade im Ausbau der Fahrradwege in den vergangenen Jahren bereits viel passiert sei. „Eine massive Zunahme des Radverkehrs, rund um die Innenstadt, können wir allerdings nicht beobachten“, erklären sie. Dafür würden sie bereits jetzt aufgrund von Verkehrsbehinderungen eine Verlagerung der Kaufströme wahrnehmen. „Die Sebastianusstraße wird zudem zur Querung der Innenstadt und zum Erreichen der Parkhäuser benötigt“, schreiben sie. Sollten sich die Ideen des Bürger-Forums durchsetzen, sei mit einem massiven Umsatzrückgang zu rechnen. „Dadurch bedingt müssten Arbeitsplätze reduziert und gegebenenfalls sogar Unternehmen geschlossen werden.“

Die Händler befürchten eine „verödete Innenstadt“ statt mehr Lebensqualität. Auch würde die Michaelstraße niemals eine Flaniermeile. „Seitenstraßen mit breiten Bürgersteigen haben sich bisher auch noch nicht dahin entwickelt – Wunschdenken und Realität sind hier weit auseinander.“ Unterm Strich werden die Forderungen des Bürger-Forums von den Händlern, die den Brief unterzeichnet haben, als „umsatzschädigend für unsere Neusser Innenstadt“ eingestuft.

Das Forum Stadtentwicklung der Neuss Agenda 21 kommt allerdings zu einem anderen Schluss. Man könne Befürchtungen, dass Einzelmaßnahmen wie eine weitgehend autofreie Innenstadt dazu führen, dass Menschen nicht mehr zum Einkaufen kommen, zwar verstehen. „Es gibt allerdings Studien, die das Gegenteil belegen. Das würden wir auch gerne im Dialog mit den Händlern aufzeigen“, sagt Kehl. Man wolle auf breiter Basis Wege entwickeln, dass Besucher und Kunden „gefahrlos und genussvoll durch die Stadt flanieren können, um die Angebote der Geschäfte zu begutachten oder die Cafés zu besuchen“.