„Uns blutet unser karnevalistisches Herz“ Kein Straßenkarneval in Neuss

Neuss · Wegen der verschärften Corona-Lage haben die Verantwortlichen die Planungen für den Kappessonntagszug und das Altweibertreiben gestoppt. Ein Fragezeichen steht noch hinter Saal-Veranstaltungen.

 Bilder wie dieses vom Kappessonntagszug 2018 wird es auch im kommenden Jahr nicht geben.

Bilder wie dieses vom Kappessonntagszug 2018 wird es auch im kommenden Jahr nicht geben.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Der Wagenbau hatte bereits begonnen und auch Gespräche mit einem Sicherheitsdienst wurden bereits geführt – doch nun zogen die Verantwortlichen die Reißleine. Nach Rücksprache mit den Mitgliedsvereinen des Karnevalsausschusses Neuss (KA) und den Ordnungsbehörden der Stadt hat das Präsidium am Dienstag bekanntgegeben, dass sowohl der Kappessonntags-Umzug als auch das Altweibertreiben im kommenden Jahr erneut ausfallen werden.

„Die aktuelle pandemische Lage macht es uns unmöglich, den Straßenkarneval in Neuss sicher und verantwortungsbewusst für alle Beteiligten zu planen“, sagt Präsident Andreas Picker, der hinzufügt: „Uns blutet unser karnevalistisches Herz, aber das Risiko ist für uns als Veranstalter und für alle Beteiligten zu hoch. Der Kappessonntagszug mit 100 000 Besuchern und auch das Altweibertreiben mit tausenden feiernden Möhnen in der Neusser Innenstadt – beides in dieser Situation leider nicht vorstellbar.“

Keine leichte Entscheidung,
die keinen Aufschub duldete

Leicht gemacht habe man sich diese Entscheidung nicht, weil man wisse, wie viele Kinder und Erwachsene nun traurig sein werden, „aber noch länger können wir die Entscheidung nicht hinauszögern“, sagt Vizepräsident Markus Titschnegg. So eine Veranstaltung wie der Kappessonntagszug sei ein organisatorischer Kraftakt des Zugleiters Ralf Dienel, unterstützt von vielen beteiligten Gewerken, die beauftragt und koordiniert werden müssten. „Jetzt ist der Tag gekommen, wo wir diese traurige Entscheidung treffen und den Straßenkarneval schweren Herzens absagen müssen“, so Titschnegg. Eine Verschiebung auf einen späteren Termin, wie etwa in Düsseldorf, kommt für die Neusser Karnevalisten nicht in Frage. Dabei seien sich das KA-Präsidium und die Vorstände der angeschlossenen Vereine in einer jetzt abgehaltenen Sondersitzung einig gewesen. Der Tenor: „Die fünfte Jahreszeit endet am Aschermittwoch.“

Ursprünglich sollte die Absage des Straßenkarnevals keine Bedeutung für den Saal-Karneval oder einzelne Veranstaltung haben, die aktuell im Rahmen der gültigen Corona-Schutzverordnung stattfinden könnten. Doch nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des gecancelten Straßenkarnevals in Neuss zwang die Ansage von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Verantwortlichen in der Quirinusstadt erneut zum Handeln. Am Dienstagmorgen hatte Andreas Stuhlmüller, Vorsitzender der Blauen Funken, noch betont, dass seine Gesellschaft mit dem Top-Programm „Kamelle us Kölle“ am 11. Januar den Sitzungskarneval in Neuss eröffnen möchte.

Karnevalsveranstaltungen seien „nicht verantwortbar“

Dann teilte Wüst jedoch mit, dass Karnevals-Veranstaltungen, bei denen sich viele Menschen in engen Innenräumen begegneten, in den nächsten Monaten „nicht verantwortbar“ seien. Dies gelte etwa für Karnevalsbälle, Partyformate und gesellige Karnevalssitzungen, bei denen Abstandsgebote und Maskenpflicht nur schwerlich umsetzbar seien. Nach Bekanntwerden der neuen Sachlage kündigten Picker und Stuhlmüller einen kurzfristigen Austausch der Verantwortlichen an. „In den nächsten 48 Stunden werden wir unsere Gäste – speziell von ,Kamelle us Kölle’ – über das weitere Vorgehen informieren“, so Stuhlmüller.

Die Stadt stand und steht in engem Austausch mit den Neusser Karnevalsvereinen und berät diese bezüglich der unterschiedlichen Veranstaltungen. „Wir bedauern die Absage des Kappessonntagszuges und des Straßenkarnevals an Weiberfastnacht und dem gesamten Karnevalswochenende Ende Februar. Wir stehen aber voll und ganz hinter dieser Entscheidung und halten sie für richtig“, sagt Ordnungsdezernent Holger Lachmann. Zum jetzigen Zeitpunkt konnte keine Prognose abgegeben werden, dass die Inzidenzwerte Ende Februar schon wieder ein deutlich niedriges Niveau erreicht haben, wodurch eine derartige Großveranstaltung ermöglicht würde. Die Absage hatte am Dienstag auch den Verwaltungsvorstand im Rathaus beschäftigt. Die Entscheidung für die Absage sei begründet, sagte Bürgermeister Reiner Breuer, der auch gut nachvollziehen kann, dass sich der KA gegen eine mögliche Verschiebung des Umzuges ins Frühjahr entschieden hat. „Damit würde man auch mit der Tradition des Zeitpunktes brechen“, sagte Breuer. Karneval sei schließlich ein Winterbrauchtum.