Migrationsgeschichte in Neuss Schüler-Wettbewerb soll Geschichten der Einwanderung sammeln
Neuss · Stadtarchiv und der Integrationsbeauftragte starten einen Wettbewerb für Neusser Schüler. Sie sollen die Geschichten ihrer Eltern oder Großeltern aufschreiben oder aufnehmen, die als „Gastarbeiter“ nach Neuss kamen.
„Gekommen und geblieben“: mit den ersten Anwerbeabkommen kamen ab den 1960er Jahren Menschen aus Südeuropa, vom Balkan, aus Nordafrika oder Kleinasien als damals sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland. Auch in der Industriestadt Neuss lockten die Werke von IHC, Ideal Standard oder Pierburg Arbeitskräfte aus anderen Ländern an. Wie sah ihr Alltag aus, wie verbrachten sie ihre Freizeit, welchen Sport betrieben sie? Wie fanden sie sich in einem fremden Land zurecht? Was erlebten die Kinder in der Schule?
„Die Menschen anderer Länder, die in Neuss Arbeit fanden, sind längst Teil unserer Stadtgesellschaft“, sagt Ursula Platen, Beigeordnete der Stadt Neuss für das Dezernat Schule, Bildung und Kultur. In ihrem Büro wurde jetzt ein Projekt mit einem Wettbewerb für Neusser Schüler und Schülerinnen gestartet: „Geschichte(n) meiner Familie“. In Neuss leben viele Menschen, deren Familien aus ganz unterschiedlichen Gegenden der Welt hierhergekommen sind. Weil die Geschichten dieser Familien ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte sind, ruft dieser Wettbewerb alle Neusser Jungen und Mädchen zwischen acht und 18 Jahren auf, die Geschichten ihrer Familie zu erforschen. Ganz ausdrücklich sind die Schüler angesprochen, deren Eltern oder Großeltern als „Gastarbeiter“ oder Einwanderer nach Deutschland kamen. Mitgemeint sind also auch die Familien von Aussiedlern oder Geflüchteten. „Eure Familien haben eine reiche und bedeutungsvolle Geschichte, die es wert ist, erzählt und bewahrt zu werden“, heißt es in einem Flyer zum Wettbewerb. Jeweils hundert Exemplare sind bereits an die Schulen im Stadtgebiet geschickt worden.
Ausgetragen wird der Wettbewerb vom Stadtarchiv und dem Beauftragten für Diversität, Integration und Antirassismus der Stadt Neuss, Deniz Elbir. Annekatrin Schaller, am Stadtarchiv für historische Bildungsarbeit zuständig, sieht das Archiv als „Gedächtnis der Stadt“.
Einstige Gastarbeiter längst Teil
der Stadtgesellschaft geworden
Und dieses Gedächtnis hat Lücken, was die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund anbetrifft. Die Menschen, die in Neuss Arbeit fanden, sind längst Bestandteil der Stadtgesellschaft geworden. Doch das schlage sich nicht in der Sammlung des Stadtarchivs nieder. Diese Lücke in der Stadtgeschichte will man mit dem Wettbewerb schließen. Integrationsbeauftragter Elbir ist gebürtiger Neusser. Sein Vater wurde in Istanbul angeworben und fand im Werk von Ideal Standard im Neusser Hafen Arbeit. So freut sich Elbir ganz persönlich über die große Wertschätzung für diese Gruppe, die im Wettbewerb deutlich werde.
Einsendeschluss ist der 31. März 2025. Eingereicht werden können schriftliche Beiträge, Filme oder Podcasts bis 30 Minuten oder Multimediapräsentationen für den Computer. Grundlage für schriftliche oder digitale Beiträge können die Erzählungen und Erinnerungen der Eltern oder Großeltern über ihre Ankunft und ihr Leben in Deutschland und in Neuss sein. Die Teilnehmer können Gespräche mit Familienmitgliedern oder anderen Zeitzeugen führen, die ihre Erfahrungen teilen möchten. Genauso sind Fotos, Briefe, Dokumente oder andere Gegenstände, die Einblick in das Leben und die Herausforderungen der Gastarbeiter und Einwanderer geben, erwünscht. Auch Videoaufnahmen sind beim Wettbewerb möglich.
Alle eingereichten Beiträge werden im Stadtarchiv dauerhaft aufbewahrt. Und es gibt etwas zu gewinnen. Eine Jury wählt die drei besten Arbeiten aus, jeweils in den Altersgruppen acht bis zwölf Jahre und 13 bis 18. Für die ersten drei Plätze gibt es 300, 200 und 100 Euro. Ein Teil der Arbeiten oder alle – je nachdem, wie viele Einsendungen kommen – will das Stadtarchiv ausstellen, etwa im Rathaus oder im Foyer des Landestheaters. So wächst eine „neue deutsche Stadtgesellschaft“ heran. Unter diesem Label fördert das Kulturamt das Zusammenkommen kommunaler, religiöser und zivilgesellschaftlicher Akteure und folgt der Maxime, dass besonders die Kultur dazu in der Lage ist, Welten zu öffnen.