Neusser feiern friedliches Tour-Fest
Die Durchfahrt mobilisierte die Massen. Auch Händler waren zufrieden. Nur auf dem Münsterplatz blieb es leer.
Neuss. Die Begrüßungsfanfare der Blechbläser erklang sogar zweimal vom Dach des Romaneum. Denn worauf die Musikschüler nur hoffen konnten und was die Rennleitung nie hätte planen können, geschah: Als die Tour de France gestern durch Neuss kam, passierte dies quasi zweimal. Eine Ausreißergruppe hatte sich einen Vorsprung herausgearbeitet und sauste förmlich um 13.52 Uhr durch die Innenstadt, bevor drei Minuten später das Hauptfeld folgte und vom Jubel begleitet die Straße „Am Kehlturm“ förmlich hinauf „flog“.
Was den Radlern folgte, war etwas, womit die Veranstalter schon gerechnet hatten: Regen. Der setzte zu dem Zeitpunkt ein, als die Tour nach zehn Kilometern das Stadtgebiet wieder verließ. Aber er trieb die Menschen nicht etwa auseinander und nach Hause, sondern viele in die Gaststätten und Geschäfte der Stadt, wo das Fest weiterging. „Das habe ich so nicht erwartet“, gab Christoph Napp-Saarbourg von der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN) zu. Die Entscheidung, die Tour mit einem verkaufsoffenen Sonntag zu verbinden, erwies sich als goldrichtig — auch wenn längst nicht jeder Händler geöffnet hatte.
Sven Schümann (CDU), der im Rat gegen einen finanziellen Beitrag der Stadt zur Tour-Durchfahrt gestimmt hatte
Der sportliche Höhepunkt des Jahres, wie Bürgermeister Reiner Breuer die Tour-Durchfahrt schon seit Monaten bewarb, war ein friedliches Fest, das seiner Ansicht nach mehr Besucher angelockte hatte, als der Kappessonntagszug der Karnevalisten mit etwa 100 000 Zuschauern. „Die Tour hatte überhaupt keine Auswirkungen auf das Einsatzgeschehen“, fasste Elmar Eppels vom Leitungsdienst der Rettungsdienstleitstelle die Lage zusammen. Man habe natürlich den Rettungsdienst verstärkt, sagte Eppels, doch um 15 Uhr konnten alle Zusatzkräfte entlassen werden. Auch im Polizeipräsidium Düsseldorf, wo die Fäden aus allen Tourstädten zusammenliefen, sprach man gestern von keinen nennenswerten Problemen.
Die Tour hatte viele Veranstalter zusammengebracht, doch viele blieben auch lange alleine. Während in den Vormittagsstunden die Menschenreihen beiderseits der Strecke immer dichter wurden, blieb der Münsterplatz so gut wie menschenleer. Ganze 21 Starter zählten Jens Hannen und Mailin Siebolds am Start- und Zielpunkt des Niederrheinischen Radwandertags in Neuss. „Den Münsterplatz“, sagte Jürgen Sturm, Geschäftsführer von Neuss Marketing, „hätten wir uns sparen können“. Dafür allerdings sei das „Französische Dorf“ auf dem Freithof von vielen Gästen zur Einstimmung besucht und gut angenommen worden, ergänzte er.
Unter französischen Vorzeichen stand auch der „offizielle Teil“ auf dem Kehlturm. Weil die Politik kein städtisches Geld bewilligt hatte, machte Bürgermeister Reiner Breuer daraus ein Partnerschaftstreffen, zu dem 30 Gäste aus der Partnerstadt Châlons mit dem stellvertretenden Bürgermeister Gérard Lebas an der Spitze anreisten. Die Tour — auch ein Fest der Freundschaft.
Unter den 340 geladenen Gästen am Kehlturm war auch Sven Schümann (CDU), der im Rat gegen einen finanziellen Beitrag der Stadt gestimmt hatte, „weil es privat auch geht“. Gestern gab er zu: „Wäre die Tour nicht gekommen, wäre das schlecht gewesen.“