„Rein ins normale Leben“
Die Lebenshilfe wird nächstes Jahr 50. Sie wurde als Selbsthilfeorganisation gegründet. Seitdem hat sich viel getan.
Nordstadt. „Im Hasenberg“ ist die Nacht früh zu Ende. Schon vor 6 Uhr morgens wirft der Nachtdienst die meisten der 24 Bewohner aus den Federn. Die Arbeit ruft. Das ist in dieser Wohnanlage für Menschen mit geistiger Behinderung nicht anders als in vielen, vielen anderen Häusern der Stadt. „Rein ins normale Leben“, nennt das Angelika Quiering-Perl. Das ist — kurz gesagt — das Programm des Vereins Lebenshilfe, den sie als Vorsitzende leitet und der nie ein Fürsorgeverein sein wollte. Das Wohnhaus auf der Furth steht für diesen Geist.
Nächstes Jahr wird die Lebenshilfe 50. Gegründet wurde der Verein als Selbsthilfeorganisation betroffener Eltern, die etwas für ihre behinderten Kinder tun und sie bestmöglich gefördert, betreut und — im Erwachsenenalter — untergebracht sehen wollten. Die Gesellschaft hat sich seitdem gewandelt, und das hat auch die Lebenshilfe verändert. Sie hat eine große Bandbreite an Diensten und Einrichtungen aufgebaut und sich eine professionelle Struktur geben müssen. Gesine Eschenburg und Winfried Janßen koordinieren als Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH heute den Einsatz von rund 450 Mitarbeitern.
Birgit Pickartz ist eine von diesen. Die Heimleiterin des betreuten Wohnheimes kommt in das Haus am Hasenberg, als die meisten seiner Bewohner schon im Gemeinschaftsraum einer der drei Wohngruppen gefrühstückt haben. Viel Zeit haben sie nicht, denn um kurz vor 7 Uhr steht der Bus vor der Tür, der sie zu den Gemeinnützigen Werkstätten bringt.
Zurück bleiben die, die gerade nicht arbeiten oder schon Rentner sind. Ihnen gibt die Tagesförderung Anreize — und dem Tag Struktur. „Wenn sie wollen“, sagt Pickartz, die noch die Zeit kennt, als alle aufeinanderhocken mussten und die Gemeinschaft über allem stand. „Gemeinschaft ist wichtig“, sagt sie. Aber man darf sich dieser auch entziehen und auf dem Zimmer bleiben oder eigene Wege gehen. „Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Pickartz, die sich an der Spitze eines Teams von „Ermöglichern“ sieht, die auch Wünsche Einzelner nicht aus dem Blick verlieren wollen. Aber wenn es freitags zum Markt geht, sind immer alle und auch gerne dabei.
Was die Bewohner bedrückt, ist auch beim Heimbeirat gut aufgehoben. Dieses Mitbestimmungsorgan „im Hasenberg“, wie die Vorsitzende Elena Planas-Gölden das gemeinsame Haus nennt, ist kein Alibi-Gremium. Er organisiert das Zusammenleben mit, plant den Jahresausflug und nimmt Einfluss auf die Angebote zur Freizeitgestaltung.
Was er im Kleinen ist, ist im Gesamtverband der Lebenshilferat. Der entsendet seit kurzem einen Vertreter in den Vorstand des Lebenshilfevereins und damit in den Aufsichtsrat der gGmbH. „Wir brauchen diesen Kontakt“, sagt Karlheinz Irnich, der zweite Vorsitzende.
„Im Hasenberg“ mit seiner 24-Stunden-Betreuung hat die Nachtwache den Dienst angetreten. Küchen- oder andere Dienste, deren Verteilung die Wohngruppen untereinander regeln, sind erledigt. Und Irnich ist einmal mehr erstaunt, wie wenig Konflikte es im Haus gab, in dem so viele eng zusammenleben.