Reiner Breuer: Von 0 auf 100 im Landtag
Nach einem halben Jahr zieht Landtags-Neuling Reiner Breuer (SPD) eine erste positive Bilanz.
Neuss. Reiner Breuer hat es nicht weit. Vom SPD-Büro an der Oberstraße bis zu seinem Arbeitsplatz im Landtag sind es gerade mal 7,3 Kilometer. Auch an diesem Freitag eilt Breuer, die lederne Tasche und den Schirm in der Hand, am Obertor vorbei zur Haltestelle Stadthalle.
Breuer besitzt eine Monatskarte. Wenn er doch mal Wechselgeld braucht, kauft er sich am Kiosk ein paar Gummifrösche. „Die Grünen verspeise ich gern“, witzelt er, steckt sich gut gelaunt einen Frosch in den Mund und steigt in die Straßenbahnlinie 709. Nach neun Stationen hat er den Landtag erreicht.
Mehr als 100 Tage ist Reiner Breuer jetzt Abgeordneter. Bei den Landtagswahlen am 13. Mai gewann er nach einem regelrechten Auszählungskrimi denkbar knapp gegen Amtsinhaber Jörg Geerlings (CDU) und zog den Wahlkreis Neuss direkt.
Täglich kämpft er sich seitdem durch Stapel an Papier, hat sich über Flüsterbremsen für Güterwaggons und Fördervoraussetzungen für barrierefreie Wohnungen schlau gemacht. Er hat den Schweizer Botschafter kennengelernt, eine Festrede beim Bund der Heimatvertriebenen gehalten, immer wieder Hände geschüttelt und Besuchergruppen aus Neuss empfangen.
Die SPD „verkaufen“, Menschen ansprechen und überzeugen. Natürlich geht das leichter in der Regierung, gibt er lächelnd zu. Jeden Tag führt er Gespräche. „Das ist wie unter Volllast von 0 auf 100“, sagt er, da helfe es, gut vorbereitet zu sein. Der Neusser SPD-Chef Benno Jakubassa ist als Büroleiter Breuers linke Hand, wie schon beim Vorgänger Fritz Behrens.
Breuer hat sich mittlerweile trotz des immensen Arbeitspensums bestens eingelebt in den weiten Gängen des Landtags. Der Volljurist präsentiert sich smart und souverän, er spricht ruhig, gibt bereitwillig Auskunft. Begeisterung für seine neue Aufgabe ist durchaus herauszuhören. „Es macht mir Spaß, an Gesetzen mitzuwirken.“
Das Thema City-Maut? „Ich bin gespalten, die Infrastrukturkosten sind enorm gestiegen“, sagt er. „Kein Kuschelthema.“ Statt Innenstadt-Maut ist er aber eher dafür, die Lkw-Maut auszuweiten. „Es sind noch nicht alle Lkw erfasst.“ Die Mauteinnahmen gingen zudem nicht komplett in den Verkehrsbereich, auch daran müsse sich etwas ändern.
Im Juli wurde der Sozialdemokrat zum Sprecher im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr gewählt. Für Breuer kein Grund, abzuheben, „da habe ich Glück gehabt“, sagt er bescheiden.
Politik hat der 43-Jährige in Neuss gelernt. Mit 25 Jahren trat er in die SPD ein, seit 1994 ist er Mitglied des Rates und seit 1999 Vorsitzender der SPD-Fraktion. Die Kommunalpolitik will Breuer bei all den vielschichtigen Landesthemen nicht vernachlässigen. Die PCB-Belastung an Neusser Schulen oder die Windkraftanlagen im Stadtgebiet regen ihn genauso auf. Da macht er keinen Unterschied. Die Frage nach dem Bürgermeisteramt lässt er erst einmal unbeantwortet.
Seine erste Rede im Parlament steht ihm noch bevor. Natürlich müsse man sich in Düsseldorf einfinden, doch er fühle sich gut aufgenommen, sagt Breuer und schaut entspannt durch die Panoramascheiben des Landtags auf den nebelverhangenen Rhein.
Nachdem er zunächst gemeinsam mit dem zweiten SPD-Direktmandatsgewinner aus dem Kreis, Rainer Thiel, ein Provisorium bezogen hatte, verfügt er jetzt im Landtag auch über ein eigenes Büro. „Eher ein Konferenzzimmer. Da kann man sich mal zurückziehen.“ Schon als er die Tür öffnet, räumt er ein, dass er noch nicht dazu gekommen sei, sich richtig einzurichten. Computer, Fax, Kopierer und eine Nespresso-Maschine für den Cappuccino zwischendurch müssen vorerst genügen.
Breuer läuft über den Flur, trifft kurz auf Arndt Klocke von den Grünen. Man kennt und unterhält sich. Vielleicht überdenkt er das mit den Fröschen jetzt noch mal.