Rennverein galoppiert auf Aus zu
Sollte sich die Stadt dazu entscheiden, nicht mehr für den Verein zu zahlen, droht diesem die Insolvenz — Rücklagen hat er nicht.
Neuss. Dem Neusser Reiter- und Rennverein (NRRV) droht der Absturz in die Insolvenz. Eintreten könnte dieser Fall, wenn der Stadtrat morgen in nicht-öffentlicher Sitzung beschließt, nicht mehr für ein Darlehen aufkommen zu wollen, das der Rennverein im Jahr 2001 für den Bau von Flutlichtanlage und Allwetterbahn aufgenommen hat. 2,276 Millionen Euro hat die Stadt seit dem Jahr 2002 für Zins und Tilgung dieses Kredites bereits aufgewendet, die letzte Rate für das zweite Halbjahr 2017 in Höhe von knapp 40 000 Euro aber schon zurückgehalten. Bleibt die Politik dabei, steht der NRRV vor einer Restforderung in Höhe von 1,095 Millionen Euro. Doch die Fraktionen hadern noch.
Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens will keiner am Ende als derjenige hingestellt werden, der die Galoppsport-Tradition in Neuss zu Grabe getragen hat. Wenn man einen Vertrag ordentlich gekündigt hat — was am 13. Dezember vorigen Jahres mit Wirkung zum 31. Dezember 2019 erfolgt ist — solle man den auch ordentlich zu Ende bringen, sagt Helga Koenemann (CDU). Aber das ist noch ihre eigene Meinung, die Fraktion berät noch. Und zweitens muss die Stadt den Kredit ohnehin bezahlen, denn sie bürgt gegenüber der Sparkasse in voller Höhe.
Herbert Napp, Ex-Bürgermeister
Alt-Bürgermeister Herbert Napp, der sich ohne ein Vorstandsamt im Reiter- und Rennverein zu bekleiden, für den Fortbestand der Galopprennbahn engagiert, fürchtet, dass ein negativer Ratsbeschluss diese Bemühungen gefährden oder gar zunichtemachen könnte: „Der Verein ist dabei, seine Hausaufgaben zu erledigen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Rennbahn wieder zu einem Ort zu machen, an dem Neusser Bürger und Familien einen schönen Tag verbringen können.“
Die Signale von außerhalb, sagt Napp, seien positiv. Der Dachverband des Deutschen Galopprennsports habe zugesagt, den Verein in den kommenden drei Jahren in jeweils sechsstelliger Höhe finanziell zu unterstützen. Bisher werden die Renntage ausschließlich durch den französischen Wettgiganten PMU finanziert, der deshalb auch alleine Termine und Anfangszeiten bestimmt. „Diese Rennen können künftig nur ein Komplementärangebot sein“, sagt Napp: „Wir brauchen wieder ‚Neusser Renntage‘.“
Solche Bemühungen nennt Manfred Bodewig (FDP) „den Versuch, einem toten Gaul wieder Leben einzuhauchen.“ Mit dem NRRV sehe seine Fraktion keine Zukunft für die Rennbahn. Ob das morgen ein Nein zur Fortzahlung ist, ließ er offen.
SPD und Linke allerdings sind entschlossen, zu beenden, was seit Jahren still geübte Praxis ist. Warum, fragt Constanze Kriete (SPD) solle man „ohne Not“ und „in vorauseilendem Gehorsam“ weiter bezahlen? Vielleicht, so Kriete, könne der NRRV den Kredit, den er schließlich alleine aufgenommen hat, ja selbst bedienen.
Bis 2008 wurde über die Übernahme der Raten durch die Stadt noch politisch entschieden, seitdem greift ein Grundsatzbeschluss: Das Geld fließt, wenn der NRRV-Vorstand schriftlich erklärt, dass die Finanz- und Ertragslage eine Begleichung der dann fälligen Rate nicht zulässt.
Ändert sich dieser Umstand nicht, bleibt die Stadt Neuss weiter in der Zahlungsverpflichtung. Derer kann sie sich in Raten entledigen — und eine Restsumme X an dem Tag begleichen, an dem es in Neuss keinen Galoppverein mehr gibt. Oder sie zahlt jetzt, weil die Bürgschaft in dem Moment fällig wird, in dem der NRRV seine Zahlungsunfähigkeit gegenüber der Bank erklären muss. Dann würde aus der Million, die die Stadt als Bürge zahlt, eine Forderung der Stadt gegenüber dem NRRV. Nutzlos wäre die, sagt Koenemann, denn der Verein hat keinerlei Vermögen.