Schüler in Kaarst wollen wieder ein Jahr länger lernen
Viele Gymnasiasten würden ihr Abitur lieber nach 13 als nach 12 Jahren machen.
Kaarst. Die Schülersprecher der beiden Kaarster Gymnasien stellen unisono fest: „Unsere Klassenkameraden würden lieber 13 Jahre zur Schule gehen als zwölf.“ Doch nur die volljährigen Schüler können sich momentan im Kaarster Rathaus mit einer Unterschrift auf einer Liste des Volksbegehrens „G9 jetzt in NRW“ gegen das Abitur nach 12 Jahren (G8) aussprechen. 1,1 Millionen Unterschriften benötigen die Initiatoren, damit sich der Landtag mit dem Anliegen beschäftigt.
„13 Jahre Schule bedeuten weniger Stress und mehr Zeit für sich“, sagt die Elftklässlerin Karlotta Hubert. Sie und Torben Zingraf sind Schülersprecher am Albert-Einstein-Gymnasium (AEG). Die 16-jährige Karlotta findet, dass ein weiteres Jahr wichtig für die Entwicklung ist. „Man ist reifer, wenn man die Schule verlässt.“ Auch der 15-jährige Torben Zingraf, der die zehnte Klasse besucht, ist für G9. Doch ihre Unterschriften dürfen die beiden nicht auf die Liste des Volksbegehrens setzen. Sie sind noch nicht volljährig. Dies trifft auf die meisten Schüler des Gymnasiums zu. Eine mögliche Rückkehr zu 13 Schuljahren würde zudem nur Schüler von der fünften bis zur achten Klasse betreffen.
Karlotta und Torben haben sich mit G8 abgefunden. Auch Jovana Cengeri und Julian Glaw, die Schülersprecher am Georg-Büchner-Gymnasium (GBG), haben sich damit arrangiert. Dennoch: Die Freizeit leidet. Das merkt Julian zum Beispiel beim Fußballtraining. „Die Besetzung ist viel geringer durch den langen Schulunterricht. Die Mannschaft funktioniert einfach nicht mehr“, sagt der Elftklässler. Zur 40-Stunden-Woche der Schüler kommen in der Regel noch Hausaufgaben und Klausurvorbereitungen. Sein Hobby Musik musste Julian zurückstellen. „Dabei sind Hobbys wertvoll. Durch sie lernt man seine Stärken kennen. Das ist auch wichtig für die Berufswahl“, sagt er. G8 habe aber auch positive Seiten, findet Jovana Cengeri: „Wir sind schneller mit der Schule fertig und durch das Arbeitspensum gut aufs Berufsleben vorbereitet.“
Lehrer Marc Spellsiek vom AEG ist gegen G8. „Ich erlebe die Schüler täglich. Ihnen fehlt dieses eine Jahr für ihre Entwicklung“, sagt er. Viele Schüler würden auf ihn zukommen. Sie seien enttäuscht. „Sie haben ihr Abi dann schon so früh in der Tasche, sind aber noch nicht volljährig und dürfen etwa keinen Mietvertrag unterschreiben oder brauchen fürs Einschreiben an der Uni das Einverständnis der Eltern.“ AEG-Schulleiter Bruno von Berg sagt: „Ich sehe mich nicht in der Pflicht, die Schüler auf das Volksbegehren hinzuweisen.“ Er fühle sich der politischen Neutralität verpflichtet. So sieht es auch sein Kollege, Schulleiter Volker Werker vom GBG. Die Schule habe die Schüler nicht informiert.
Wie viele Unterschriften bisher in Kaarst zusammengekommen sind, ist unklar. Die Kommunen dürfen keine Auskunft geben. Falls genug Unterschriften zusammenkommen, würde zunächst der Landtag abstimmen. Wenn die Mehrheit der Abgeordneten das Volksbegehren ablehnt, kann in letzter Instanz noch ein Volksentscheid folgen.