Shakespeare im Landestheater: Welten in Balance gehalten
Kaufmann von Venedig: RLT zeigt stimmige Inszenierung.
Neuss. Am Samstag feierte Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ im Landestheater Premiere. Regisseurin Catja Baumann überträgt das Stück mit seinen Protagonisten — den vor Selbstüberzeugung strotzenden Bassanio (sehr überzeugend: Richard Erben) und seinen Freund Antonio (wunderbar: Henning Strübbe) — in die gelackte Welt der Großbanken.
In der Komödie verliebt sich Bassanio in die reiche Erbin Portia. Doch um eine von ihrem verstorbenen Vater ausgeklügelte Prüfung bestehen zu können, braucht Bassanio 3000 Dukaten. Da er das Geld nicht hat, will ihm sein Freund Antonio helfen. Dieser leiht sich die Summe beim jüdischen Geldverleiher Shylock. Sollte es ihm nicht gelingen, den Betrag zurückzuzahlen, fordert Shylock ein Pfund Fleisch aus Antonios Körper. Bassanio hat Glück. Es gelingt ihm, die Prüfung zu bestehen, so dass er seine geliebte Portia heiraten kann. Da erfährt er, dass er um das Leben Antonios fürchten muss, denn dieser gerät durch widrige Umstände tatsächlich in Geldnot und kann seine Schulden nicht zurückzahlen.
Shylock möchte sich „dem Christenpakt nicht beugen“. Obwohl es Portia (Ulrike Knobloch) — als junger Rechtsgelehrter Balthasar verkleidet — im letzten Augenblick schafft, Antonio vor dem Messer Shylocks zu befreien, löst die Szene ein Gefühl der Beklemmung aus — denn nun wendet sich alles gegen Shylock. Nur durch die Milde seines Feindes entgeht er der Todesstrafe und darf, wenn er zum Christentum konvertiert, die Hälfte seines Besitzes behalten.
Das Ende des Stücks jedenfalls liefert keine vorgefertigte Lösung. Für seine unerhörte Forderung und dem Beharren auf deren Einlösung verliert Shylock nicht nur die Hälfte seines Besitzes. Vor Verzweiflung auf dem Boden liegend, wird er zudem jeglicher Ehre beraubt, als sein Feind Antonio ihn anspuckt. Antonio selbst scheint aus den dramatischen Ereignissen nur wenig gelernt zu haben, denn nach einer kurzen Schockstarre scheint er sich siegessicher wieder seinem alten Leben zuzuwenden.
Shakespeares Komödie wird oft Antisemitismus vorgeworfen. Die Figur des Juden Shylock erfordere, nach Ansicht von Intendantin Bettina Jahnke, die aufgrund einer Erkrankung Catja Baumanns in den vergangenen vier Tagen die Regie des Kaufmanns übernommen hatte, nicht zuletzt vor dem aktuellen Hintergrund des NSU-Prozesses eine besonders hohe Sensibilität. Die Zuschauer belohnten die Premiere jedenfalls mit reichlich Applaus. Vor allem für Michael Putschli als Shylock, der am Ende der Spielzeit das Rheinische Landestheater verlassen und nach Berlin gehen wird, gab es besonders viel Beifall.