Nach Gerichtsurteil Neuss kippt Regelungen zum Anwohnerparken
Neuss · Im Juni erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Parkgebührenordnung Freiburgs für ungültig, die Folgen erreichen nun auch Neuss. Die Stadt macht der Politik neue Vorschläge – inklusive Änderungen bei der Gebührenhöhe.
Die Stadt macht bei den umstrittenen Regelungen zum Anwohnerparken einen doppelten Rückzieher. Der 25-prozentige Sozialrabatt, der Inhabern des „Neuss-Pass“ gewährt wurde, wird abgeschafft. Aber den hatten nach Darstellung der Verwaltung bislang ohnehin nur sehr wenige Antragsteller in Anspruch genommen. Vor allem aber will sie die Gebühr für den so genannten Bewohnerparkausweis auf den zum 1. Juli 2022 eingeführten Betrag von zehn Euro monatlich deckeln. Von einer Verdoppelung der Gebühr zum 1. Juli kommenden Jahres ist ebenso wenig die Rede wie von einer weiteren Erhöhung auf 360 Euro ab 2026.
Mit diesem Vorschlag tritt die Verwaltung am kommenden Freitag an den Rat heran – und darf sich breiter Unterstützung gewiss sein. Allerdings ist es nicht die Politik, die den Schwenk einleitet, sondern ein höchstrichterliches Urteil des in Leipzig tagenden Bundesverwaltungsgerichtes.
Das hatte im Juni das Gebührenmodell der Stadt Freiburg gekippt und das mit drei Punkten begründet: der Abstufung der Gebühr nach Fahrzeuglänge, die in Neuss nie ein Thema war, einem gewährten Sozialrabatt und – drittens – dem Fehlen einer Rechtsverordnung, die das Gebührenmodell gerichtsfest unterfüttert.
Letzteres gab und gibt es nicht in Neuss, das bei der Erarbeitung seines Parkraumbewirtschaftungskonzeptes seinerzeit am Modell der Freiburger Maß genommen hatte. Das alarmierte Roland Sperling (Tierschutzpartei/Die Linke), der per Dringlichkeitsantrag im Juni darauf pochte, Versäumtes nachzuholen und ganz flott eine Gebührenordnung einzuführen. Damals bestätigte sich die Regel: „Zwei Juristen, drei Meinungen“, denn die Stadt verwies auf einen – ihrer Ansicht nach – ausreichenden Ratsbeschluss und gab sich gelassen.
Die Gelassenheit ist verflogen, denn Sperling hatte Recht. Die Vervierfachung der Gebühr für den Bewohnerparkausweis von 30 Euro im Jahr auf zehn Euro im Monat hätte, so räumt die Verwaltung inzwischen ein, „in formeller Hinsicht noch durch eine zu beschließende Rechtsverordnung (Gebührenordnung) öffentlich bekannt gemacht werden müssen“. Das wird nun nachgeholt – mit den genannten Veränderungen.
Für den Sozialrabatt gilt allerdings, dass er vorerst – aber bis auf weiteres – nur ausgesetzt wird. „Aus Gründen äußerster Rechtssicherheit“, wie es aus dem Rathaus heißt, wo die erst in der Vorwoche veröffentlichte Urteilsbegründung der Leipziger Kammer im Fall Freiburg studiert wurde und – mit Blick auf die Neusser Regelungen – Anlass zu Bedenken gab.
Menschen mit geringem Einkommen entlasten
Sollten sich die rechtlichen Voraussetzungen ändern, etwa weil der Bund die Straßenverkehrsordnung überarbeitet oder sich andernorts diskutierte Modelle wie ein „Mobilitätsbonus“ als rechtssicher erweisen, könnte man ja wieder in eine solche Diskussion einsteigen, regt der SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Karbowiak an.
Karbowiak erinnert daran, dass die SPD weiteren Gebührenerhöhungen nur dann zustimmen wollte, wenn Menschen mit geringem Einkommen entlastet werden. Da das rechtlich aktuell nicht möglich ist, soltle man beim aktuellen Preis von zehn Euro bleiben. „Nicht jeder Bürger mit einem geringen Einkommen kann auf das Auto verzichten oder ohne Unterstützung ab 2026 monatlich 30 Euro zahlen“, sagt Karbowiak. Er regt an, die aktuelle Diskussion auch zu nutzen, „über eine weitere Verlängerung der kostenlosen ersten Stunde in den städtischen Parkhäusern nachzudenken“.
Die CDU, die die geplanten Gebührensprünge beim Bewohnerparken von Anfang an abgelehnt und sogar eine Petition mit dem Titel „Nein zur Abzocke beim Anwohnerparken“ gestartet hatte, sieht sich nun bestätigt. „Wir sind froh, dass die Verwaltung endlich auf unseren angemessenen Kurs einschwenkt“, formuliert der Fraktionsvorsitzende Sven Schümann.
In Zeiten von Inflation und Rezession sei Augenmaß gefragt. Roland Sperling sieht einmal mehr die juristische Seite. „Tatsache ist, dass wir ein Jahr lang keine ordnungsgemäße Gebührengrundlage hatten.“ Er sei gespannt, was die Stadt mit den Bescheiden macht, die auf dieser Basis ausgestellt wurden.