Vermisstensuche im Bauschutt
Eine Staffel Rettungshunde trainierte auf dem Abbruchgelände des Finanzamtes I.
Neuss. „Los, such!“ Susanne Martin-Schmitt gibt ihrem Riesenschnauzer Porthos noch einen Klaps aufs Hinterteil, dann rennt der Hund los. Schnell kämpf er sich durch das schwierige Terrain, klettert über Betonbrocken und Schuttberge. Dann scheint sich die Witterung zu verstärken.
Aufgeregt beschnüffelt Porthos eine umgedrehte Badewanne. Auf einmal bleibt er stehen und bellt. Er hört erst auf, als Frauchen Susanne ihren unter der Badewanne liegenden Kollegen Markus Kremer aus seiner Zwangslage befreit und Porthos seine wohlverdiente „Beißwurst“ bekommt.
Was auf den ersten Blick wie ein Katastrophenfall aussieht, ist eine Übung der Rettungshundestaffel der internationalen Katastrophenhilfe International Search and Rescue (I.S.A.R.) Germany auf dem Abbruchgelände des ehemaligen Finanzamtes I an der Schillerstraße.
„Obwohl wir zweimal im Monat mit den Kollegen als feste Gruppe üben, ist die heutige Übung schon ein Idealfall“, meint Astrid Becker, eine der Hundeführerinnen. Die Idee zur Übung hatte Peter Krupinski, Prokurist des Neusser Bauvereins.
Er hatte in einer Zeitung über die Organisation gelesen und sich gleich gedacht, dass das Abrissgelände, auf dem sich im Moment der Bauschutt zwei Stockwerke hoch türmt und die noch vorhandenen Räume und Keller teilweise zugeschüttet und nur schwer zugänglich sind, der ideale Übungsort für die Rettungsgruppe sein müsste. Erst in einem Monat sollen die Abbrucharbeiten fertig sein.
Die I.S.A.R. Germany ist eine gemeinnützige Hilfsorganisation, die sich auf die Suche von vermissten und verschütteten Menschen spezialisiert hat. So war die Organisation in den vergangenen Jahren unter anderem nach den schweren Erdbeben in Thailand, Pakistan, Peru, Indonesien und Haiti im Einsatz. Zirka 60 Aktive machen bei der Organisation deutschlandweit mit. Mit Heike und Stefan Spelter sind auch zwei Neusser dabei.
Bevor Mensch und Tier zum Einsatz kommen, müssen sie ein Vorbereitungstraining absolvieren. Während die Grundausbildung für die Helfer innerhalb eines Jahres abgeschlossen ist, dauert es bei den Hunden zweieinhalb bis drei Jahre, bis sie zum Einsatz kommen. „Grundsätzlich sind alle Hunderassen geeignet, die eine gewisse Trieblage und Größe haben“, erläutert Hundeführerin Astrid Becker.
Nur zu schwer dürfte so ein Tier nicht sein. Am besten würden sich ganz junge Hunde eignen, denn um in einem Katastrophenfall als Rettungshund eingesetzt zu werden, müssen sie schon früh lernen, hohe Temperaturen auszuhalten oder das Laufen auf schwierigem Untergrund wie Trümmer und Schutt bewältigen.
„Außerdem ist es ganz wichtig, dass die Hunde an lange Flüge gewöhnt sind und auch vor lauten Geräten, die bei der Bergung von Verletzten eingesetzt werden, keine Angst haben“, fügt Becker hinzu. Den ehrenamtlichen Helfern, die aus ganz Deutschland kommen und sehr unterschiedliche Berufe wie Lehrer, Kaufmann, Physiotherapeut oder Feuerwehrmann haben, wird hohe Flexibilität abverlangt. Ziel ist, spätestens zehn Stunden nach einem Katastrophenfall abflugbereit zu sein.
Bei ihrer Arbeit ist die I.S.A.R. Germany, die als einzige deutsche Nichtregierungsorganisation durch eine UN Unterorganisation akkreditiert ist, auf Spenden angewiesen.