Viele können den Unterhaltnicht zahlen
Für mehr als 1000 Kinder muss die Stadt Neuss einen Unterhaltsvorschuss zahlen. Alleinerziehenden droht Armut.
Neuss. Die finanzielle Not von alleinerziehenden Müttern und Vätern ist in Neuss ungebrochen groß. Die Stadt muss in diesem Jahr für mehr als 1000 Kinder Unterhaltsvorschuss bezahlen, weil das eigentlich zur Zahlung verpflichtete Elternteil dies nicht kann oder tut. Etwa zwei Millionen Euro im Jahr überweist das Jugendamt deshalb an Alleinerziehende, wie aus dem städtischen Haushalt hervorgeht. Die Stadt ist dazu nach dem Unterhaltsvorschussgesetz verpflichtet. „Pro Jahr verzeichnen wir etwa 250 neue Beantragungen“, sagt Jugendamtsleiter Markus Hübner.
Davon holt sich die Stadt einen Teil zurück bei den Unterhaltspflichtigen. Etwa 500 000 Euro treibt die Verwaltung bei den säumigen Vätern oder Müttern ein, und weitere 900 000 Euro kommen vom Land. Den Rest muss die Stadtkasse selbst aufbringen.
Den Unterhaltsvorschuss bekommen Alleinerziehende von Kindern bis maximal zwölf Jahre. Legt man die Einwohnerdaten zugrunde, dann bekommen sechs Prozent aller Kinder in diesem Alter den Unterhaltsvorschuss. Und das nicht nur, wenn säumige Elternteile nicht zahlen wollen. „Bei nicht wenigen Kindern ist zum Beispiel gar nicht klar, wer denn der Vater ist“, sagt Jugendamtsleiter Markus Hübner. „Bei wechselnden Arbeitsverhältnissen oder Arbeitslosigkeit haben Väter oft auch nicht genug Geld. Wirklich notorische Nichtzahler gibt es kaum.“
Auch Elternteile mit einem relativ normalen Einkommen rutschen schnell unter die Grenze. Wer 1500 Euro netto im Monat verdient, darf 1080 Euro davon selbst behalten — zwei Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahre haben dann aber schon einen Anspruch in Höhe von 544 Euro an Unterhalt. Also muss die Stadt einspringen — unabhängig vom Einkommen des Alleinerziehenden.
Kinder im Alter bis sechs Jahre haben nach der Düsseldorfer Tabelle einen Mindestunterhalts-Anspruch von 225 Euro. Der Vorschuss, den die Stadt zahlen muss, liegt aber nur bei 133 Euro im Monat. Bei Sechs- bis Zwölfjährigen zahlt die Stadt 180 Euro im Monat an Vorschuss, der Mindestunterhalt liegt aber bei 272 Euro. Das Geld von der Stadt hilft dann zwar dem alleinerziehenden Elternteil. Aber es ist eben auch nur ein Zuschuss, der die Unterhaltszahlungen vom anderen Elternteil nicht aufwiegen kann. Die Folge: Das Kind ist von Armut bedroht. „Trotz aller Hilfen, die es gibt, können Lücken entstehen und nicht jede Mutter, die sich trennt, steht im Berufsleben. Das Armutsrisiko bei allein erziehenden Müttern und Vätern liegt bei 35 Prozent“, sagt Gabi Becker, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes in Neuss, der viele Alleinerziehende berät.
Nach Einschätzung einer Bertelsmann-Studie von 2014 und des Kinderschutzbundes sind vor allem Mütter betroffen. „Die Studie sagt aus, dass in Deutschland 90 Prozent der Alleinerziehenden Mütter sind. Es ist in unserer Arbeit zu beobachten, dass es die Mütter besonders hart trifft, wenn sich Väter ihrer Verantwortung nicht stellen können oder wollen“, sagt Gabi Becker. Und das kann für die Frauen auch gesundheitliche Folgen haben, so Becker. „Neben den alltäglichen Anforderungen und Erziehungsaufgaben erhöhen fehlende Unterhaltszahlungen die Belastungen. Eine schlechtere soziale Stellung oder auch gesundheitliche Probleme können die Folgen sein.“