Vom Fringsen bis zum Konzil

Vor 125 Jahren wurde Josef Kardinal Frings in Neuss geboren.

Neuss. Drei junge Männer spielten Fußball an der Oberstraße: Heinz Hüsch, Adolf Frings, sein Bruder Josef. Der eine wurde Arzt, der andere Kaufmann und Oberbürgermeister der Stadt, der dritte Kardinal und prägende Gestalt des 2. Vatikanischen Konzils.

Vor 125 Jahren, am 6. Februar 1887, wurde der spätere Geistliche, dessen Namen sich auch in dem Verb fringsen verewigt hat, in Neuss geboren.

Heinz Günther Hüsch (82), Sohn des „Fußballers“, hatte immer wieder Kontakt zu dem früheren Nachbarn. Nachbarn blieben die Familien auch nach den Bombenangriffen des 2. Weltkriegs, als alle an der Erftstraße unterkamen.

Da war der zweite Sohn der Frings, der am heutigen Quirinus-Gymnasium sein Abitur abgelegt hatte — angeblich studierten 19 seiner 35 Klassenkameraden Theologie — längst in Köln Pfarrer.

Drei Jahre lang, von 1922 bis 24, hatte Frings in seiner Heimatstadt als Leiter des Waisenhauses an der Rheydter Straße gewirkt. Dann wurde Köln endgültig zu seinem Betätigungsfeld.

Mitten im Krieg wählte ihn das Domkapitel in Rom zum Erzbischof. Die Nationalsozialisten stimmten zu, verboten aber die Veröffentlichung der Nachricht. „Trotzdem hat sich das in Neuss wie ein Lauffeuer verbreitet“, sagt Heinz Günther Hüsch. Die Gestapo musste erstaunt vermerken, dass dieser eher unscheinbare Pfarrer deutliche Worte gegen das Unrecht fand.

Das erkannten auch die Besatzungstruppen an. So hatten die Äußerungen des Erzbischofs viel Gewicht, als er im Kampf gegen die Not der ersten Nachkriegszeit Hilfe anmahnte, gegen Todesurteile und Demontagen protestierte.

Berühmt wurden seine Äußerungen in der Silvesterpredigt von 1946: In der Not, so erklärte er von der Kanzel, dürfe der Einzelne auch nehmen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig habe, falls er es auf andere Weise nicht erlangen könne.

Das bezogen in diesem bitteren Winter zahlreiche Menschen auf den Kohlenklau, das Wort „fringsen“ wurde gängiger Ausdruck. Auch Heinz Günther Hüsch war einer von ihnen. „Für uns, die wir streng katholisch erzogen waren, bedeutete die Silvesterpredigt so etwas wie einen moralischen Freispruch“, sagt er in der Rückschau.

Immer wieder besuchte der 1946 zum Kardinal berufene Frings seine Heimatstadt. Enge Verbindungen herrschten zwischen den „heiligen Familien“ Frings und Werhahn, Kallen, Sels und Thywissen, sagt Hüsch.

Hinzu kamen die Beziehungen zu Konrad Adenauer, dessen Tochter in die Familie Werhahn eingeheiratet hatte. 1950 ehrte seine Heimatstadt den Geistlichen mit der Ehrenbürgerwürde — die Urkunde überreichte ihm sein Bruder, das Stadtoberhaupt.

13 Jahre danach sorgte der konservative Kardinal aus Neuss in Rom mit seinen fortschrittlichen Thesen weltweit für Furore. Hüsch hat als zeitweiser Beobachter des Konzils dessen Reden „in seinem vom rheinischem Singsang geprägten Latein“ gehört.

Er hat den Geistlichen oft in zwei Facetten erlebt: Als eher distanzierten Kardinal, der unbedingten Respekt für sein Amt erwartete, und als regelrecht leuseligen Pfarrer ohne jede klerikale Arroganz. „Da war er dann noch ein wenig der Junge, der an der Oberstraße Fußball gespielt hat.“