Wöchentlicher Sirenen-Test nervt Kaarster

Freitags um 12 Uhr ist es für eine Minute mit der Ruhe vorbei. Einige Geschäftsleute haben sich daran gewöhnt, viele andere stört’s dagegen.

Kaarst. Freitags um 11.59 Uhr herrscht auf dem Rathausplatz eine friedliche Stimmung. Menschen genießen den Aufenthalt in Straßencafés, Gratulanten empfangen ein gerade getrautes Brautpaar, Mütter mit kleinen Kindern schlecken gemütlich ein Eis. Um 12 Uhr ist es mit dieser Beschaulichkeit vorbei. Ein ohrenbetäubender Lärm lässt alle zusammenzucken: Mit einer Lautstärke von 101 Dezibel schrillt ein zweimal unterbrochener, einminütiger Heulton über den Platz.

„Das Rathaus hat jetzt Feierabend“, sagt Annette Schiewer von der Buchhandlung Esser schmunzelnd. „Das sagen jedenfalls viele Kunden, wenn der Alarm losgeht. Für mich gehört er freitags zum Alltag, auch wenn mir die Bedeutung unklar ist“, gibt sie zu. Das bestätigt Petra Blaß vom Bekleidungsgeschäft Gerry Weber. „Der Alarm läutet eben das Wochenende ein“, sagt auch sie lachend. „Mich stört er nicht, auch wenn ich nicht genau weiß, was er bedeutet“, ergänzt sie.

„Das ist Umweltverschmutzung durch Lärm“, sagt dagegen Manfred Köhler empört. Er will draußen in Ruhe eine Tasse Kaffee genießen. „Einmal anstatt dreimal würde auch reichen“, fügt er hinzu. Am Nebentisch weiß Ulrike Wunder, dass der dreimalige Ton Entwarnung bedeutet. „Das hat mir meine Mutter beigebracht, die während des Krieges gelernt hat, dass sie dann den Bunker verlassen durfte“, erzählt sie und gibt zu: „Wenn man hier draußen sitzt, ist der Alarm nicht sehr schön.“

Die wahre Bedeutung des Probealarms ist aber eine ganz andere: Es ist der Feueralarm, der jeden Freitag außer an Feiertagen als Funktionstest ertönt. Andreas Kalla, Leiter der Kaarster Feuerwehr, erklärt: „Zumeist erfolgt die Benachrichtigung der Mitglieder unserer Freiwilligen Feuerwehr über einen digitalen Meldeempfänger, einen sogenannten stillen Alarm. Bei größeren Einsätzen oder bei Ausfall der digitalen Alarmierung erfolgt zusätzlich eine Alarmierung über die Sirenen.“

Schwillt ein Alarm über eine Minute auf und ab, ist er eine Gefahrenwarnung. Ein Heulton von einer Minute, der aber immer wieder unterbrochen wird, meldet einen Feueralarm. Ein ununterbrochener Dauerton von einer Minute bedeutet Entwarnung.

Die Warnsirenen sind Überreste aus den Kriegsjahren und dem „Kalten Krieg“. Bei Großeinsatzlagen, im Katastrophenfall und im Zivilschutz dienen sie der Gefahrenabwehr durch „Wecken“ und „Informieren“. Eine flächendeckende Alarmierung ist eine sichere Methode, alle Menschen unabhängig vom Telefon- und Handynetz zu erreichen.

Allerdings gelangen durch eine bessere Dämmung der Häuser und Fenster diese Töne nicht mehr in jedes Haus. Eine Überarbeitung des Warnsirenenkonzepts ist deshalb dringend angezeigt. „Durch die Umsetzung eines solchen Konzepts soll sichergestellt werden, dass für das gesamte bebaute Gebiet der Stadt Kaarst im Warnungsfall eine flächendeckende Beschallung durch den Einsatz von Sirenenanlagen erreicht wird. Dies ist ohne fachplanerische Hilfe nicht möglich“, erläutert Stefan Eickels, Abteilungsleiter für das allgemeine Ordnungsrecht. Das Projekt könne Ende 2016/Anfang 2017 dem Stadtrat vorgestellt werden. Die Entscheidung über dessen Realisierung obliege dann den politischen Gremien, so Eickels.