Workshop für Zivilcourage
Kaarst. Diese oder ähnliche Parolen haben sie alle schon mal gehört: „Für die Flüchtlinge ist Geld da.“ „Unsere Frauen sind nicht mehr sicher.“ Oder noch schlimmer: „Muslime sind Terroristen.“ Weil sie nicht länger hilf- und sprachlos gegenüber fremdenfeindlichen Äußerungen sein wollen, haben zwölf ehren- und hauptamtliche Flüchtlingshelfer an dem Workshop „Argumente gegen Stammtischparolen“ in der evangelischen Auferstehungskirche teilgenommen.
Im Rahmen einer Collage aus Szenen, Rollenspielen und Diskussionen erhielten sie wirkungsvolles „Mundwerkszeug“, um diffamierende Parolen künftig geschickt parieren zu können.
Karin Kettling, Schauspielerin
Die Irritation der Teilnehmer, die zunächst in der Kirche Platz genommen hatten, war anfangs groß. Schauspielerin Karin Kettling hatte sich im Altarraum positioniert und vermischte glaubhaft scheinbar persönliche Erfahrungen mit der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland.
Am Oberhausener Stadttheater habe sie ihre feste Stelle verloren, doch plötzlich sei Geld da für Projekte — auch kulturelle, sofern sie für Flüchtlinge seien. Fachkräfte seien versprochen worden, stattdessen stelle sie einen Niveau-Rutsch fest. „Unsere Hochkultur wird in die Gosse geworfen“, rief sie aus und forderte dazu auf, eine Petition zu unterschreiben zum „Schutz der deutschen Kultur“.
Perplex, aber auch ohnmächtig war zunächst die Reaktion der Teilnehmer. Waren sie doch gekommen, um Argumente gegen derartige Äußerungen zu erlernen. Gemeinsam mit ihrem Schauspielkollegen Jürgen Albrecht führte Kettling anschließend vor, was oft davon abhält, Stammtischparolen paroli zu bieten. Man wolle nicht stören, fühle sich zu wenig informiert oder schlicht nicht zuständig — das seien häufige Gründe, sich nicht einzumischen. Aber genau dieses Einmischen lohne sich: „Es ist gut fürs eigene Wohlbefinden, für ein reines Gewissen“, zählt Kettling auf.
Schweigen könne als Zustimmung gewertet werden, Werte wie Zivilcourage, Solidarität und Gerechtigkeit würden mit Leben erfüllt. Und nicht zuletzt: Es schütze die Menschenwürde der Betroffenen. Wie Einmischung wirkungsvoll funktionieren kann, ohne arrogant, moralisierend oder aggressiv aufzutreten, lernten die Teilnehmer im sechsstündigen Workshop. Es gehe nicht darum, viele Fakten präsentieren zu können und auch nicht, der Gewinner einer Diskussion zu sein, erklärten die Schauspieler. Ziel sei es, sachlich und ruhig die Parolenschwinger zu demaskieren.
Grenzen setzen, humorvoll reagieren, Konsequenzen erfragen, Vorurteile entkräften — die Palette der Zivilcourage ist groß. Zum Ende des Workshops fühlten sich alle Teilnehmer ermutigt, Stellung zu beziehen. Auf dem Zettel, den die Teilnehmer zum Abschluss bekamen, wird es auf den Punkt gebracht: „Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen.“