Zukunft im Archiv sichern
„Papier ist nicht geduldig“ zeigt anhand von Neusser Beispielen die vielfältige Arbeit der Restauratoren.
Neuss. Für einen Mann, der das Archiv der Stadt leitet, mag die Formulierung zunächst irritieren. „Wir schauen weiter in die Zukunft als für die Zeit einer Legislaturperiode — oder eines Arbeitslebens“, sagt Jens Metzdorf. Wie berechtigt die Aussage ist, zeigt eine sehenswerte Ausstellung an der Oberstraße. Sie belegt die Bedeutung des Erhalts und der Restaurierung von Akten, Dokumenten, Fotos — eben über ein Arbeitsleben hinaus.
„Papier ist nicht geduldig“ ist Titel der Wanderausstellung, die in Neuss durch heimische Exponate ergänzt ist. Denn eigentlich, so sagen es Metzdorf und der Restaurator Marcus Janssens selbstbewusst, ist Neuss Vorreiter bei der Prävention, bei Erhalt und Restaurierung von Archivgut. Allein fünf Kilometer Akten lagern im mustergültig ausgestatteten Magazin des Archivs.
Das, was jetzt im Erdgeschoss des Stadtarchivs präsentiert wird, sei auch eine Art Rechenschaftsbericht für die Neusser, sagt Jens Metzdorf. Dieser Rechenschaftsbericht liest sich spannend und bietet durchaus Überraschendes.
Eine Premiere gibt es auch. So wird zum erstenmal nach der Restaurierung die wunderbare Rhein-Karte des Kartographen Carl Friedrich von Wiebeking aus dem späten 18. Jahrhundert gezeigt: Kolorierte Blätter, die den exakten Rheinverlauf von Emmerich bis zur Mündung auf mehreren Blättern zeigen. Die „Neusser“ Karte zeigt detailliert etwa die Siedlungen Zons, Stürzelberg oder Grimlinghausen und einen Flussverlauf, der sich massiv vom heutigen unterscheidet.
An den alten Karten hat Markus Janssens, von Hause aus Buchbindermeister, ebenso Hand angelegt wie zum Beispiel an den Akten des Bürgermeistergerichts von 1786 oder der Backordnung von 1586: Beides war durch falsche Lagerung und Nagetierfraß nicht mehr nutzbar — jetzt können Forscher wieder die Originale lesen. Viel Arbeit hatte und hat der Restaurator mit der einzigartigen Sammlung von 30 000 Glasplatten-Negativen des Neussers Heinrich Kleu aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Schmutz und Wasserschäden müssen beseitigt werden. Schimmelnde Akten, zerbröselnde Baupläne, angefressene Dokumente und zerfallende Einbände werden in der Restaurierungswerkstatt des Archivs wiederhergestellt. „Nicht als Selbstzweck“, wie Janssens betont: „Es geht doch immer daraum, die Benutzung für jeden Interessierten sicherzustellen.“
Am wenigsten Arbeit hat er mit Hadernpapier aus dem Spätmittelalter. „Das gibt es auch heute noch — für Banknoten. Und die vertragen ja bekanntlich auch eine Runde in der Waschmaschine“, sagt Janssens.
“ Die Ausstellung „Papier ist nicht geduldig“ des Arbeitskreises der nordrhein-westfälischen Papierrestauratoren ist bis 13. Juni im Stadtarchiv, Oberstraße 15, zu sehen.