Zwei Imagefilme bewegen Grevenbroich

Ein Werbefilm aus den 1960ern hat 2015 einen Nachfolger bekommen. Kritiker sagen, er stellt die Stadt völlig falsch dar — und loben den alten.

Grevenbroich. Bilder können lügen oder entlarven, im besten Sinne die Realität zeigen: Das gilt für die absolut gegensätzlichen Imagefilme, die über Grevenbroich bei Youtube aus den Jahren 1960 und 2015 zu finden sind. Der im Auftrag der Stadt Grevenbroich 2015 entstandene 2,37-minütige Streifen ist ein reiner Werbefilm, zu dem ein Kommentator schreibt: „Was für eine Heuchelei!“ Und ein anderer bekundet, er halte es bei dem Imagefilm wie mit der Bibel: „Man kann dran glauben, muss es aber nicht.“

Dabei ist der Film aus dem Jahr 2015 schon jetzt ein Zeitdokument, wenn die Angaben und Bilder von „damals“ nicht trügten: Da wird die Innenstadt — allerdings nur in Sekundensequenzen — mit dem Slogan präsentiert: „Einkaufen in Grevenbroich ist vielfältig und lebendig.“ Und was die Gewerbeflächenverfügbarkeit von Grevenbroich anbelangt, wird ebenso schön gefärbt wie die Situation des Einzelhandels. Da heißt es im Imagefilm von 2015: „Unsere Gewerbeflächen verfügen über ein attraktives Angebot in direkter Nähe zu Köln und Düsseldorf.“ Aber Werben ließ und lässt sich schließlich nicht mit leerstehenden Geschäften in der Innenstadt und nicht entwickelten beziehungsweise erschlossenen Gewerbeflächen, für die die nachfragenden Betriebe abgewiesen werden müssen.

Weitaus realistischer war der Blick auf Grevenbroich, den der Neusser Journalist Albert Kreuels in den 1960er Jahren konzipierte, der aber beim damaligen Stadtrat in Grevenbroich nicht auf Gegenliebe stieß. Im WDR wurde der Film ausgestrahlt und geriet dann in Vergessenheit, bis er im Jahr 2012 bei Youtube als „Dachbodenfund“ in einer technisch allerdings schlechten Kopie ins Netz gestellt wurde. Seither sind dort aber nur zwei von drei Filmteilen erhaltenen Videos zumindest bei Geschichtsfreunden so etwas wie ein Kult.

Das zeigen auch die Kommentare und die Zahl der Aufrufe der einzelnen Videos allemal: Ist der offizielle Imagefilm der Stadt etwa 7600 mal gesehen worden, so haben die 60er-Jahre Streifen insgesamt knapp 16.800 Aufrufe. Allerdings kommt auch der nur 24 Sekunden kurze unrühmliche Grevenbroich-Beitrag, den die Zeitung „Express“ im vergangenen Jahr ins Netz stellte, mittlerweile auf fast 13.800 Aufrufe. Gemeint ist die Szene, wie ein Hausmeister in einem Flüchtlingsheim in Grevenbroich den Arm zu dem verbotenen Hitler-Gruß hebt.

Der Grevenbroich-Film aus den 1960er Jahren beginnt indes mit einer ungeschönten Szene, die damals das Stadtleben bestimmte: Obwohl noch vergleichsweise wenige Pkw auf den Straßen unterwegs waren, gab es regelmäßig an der Rheydter Straße einen Stau, wenn die Bahnschranken wieder für einen der vielzähligen Züge am Tag heruntergelassen werden mussten. Da stiegen die Kraftfahrer sogar aus ihren Autos, um miteinander während der langen Wartezeit an der Bahnschranke ein Schwätzchen zu halten.

Die Stadtfilme aus den 60er Jahren, die auch Schulkinder später noch, von der Kreisbildstelle ausgeliehen, von ihren Lehrern vorgeführt bekamen, sind wertvolle Zeitdokumente. Da werden die Anfänge von Kohletagebau und -kraftwerken, von Straßenbau und Industriebetrieben dokumentiert ebenso wie die Siedlungsgeschichte in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Und nahezu künstlerisch wertvoll sind Detailaufnahmen aus der industriellen Produktion etwa in der Zuckerfabrik.

Kirmes- und Schützenfest hatten auch 1960 schon den heutigen Stellenwert. Gezeigt wird auch der alte, heute nur noch teilweise erhaltene Brauch, vor der Inthronisation des Schützenkönigs die Krone auf einem Samtkissen durchs Dorf zu tragen und sich auf der Kirmes mit der Schiffschaukel, gefühlt fast bis in die Höhe des Tagebau-Ablegers zu schwingen: Es war einmal in Grevenbroich. . .