Zwei Jahre auf Bewährung wegen „Misshandlung durch Quälen“

Die aus Westafrika stammenden Eltern hatten die Behandlung ihres HIV-infizierten Sohnes abgebrochen und ihn einem Wunderheiler anvertraut. Das Kind trug schwere gesundheitliche Schäden davon.

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Neuss. Die Eltern hatten das Schicksal ihres jüngsten Sohnes besiegelt, ehe er geboren war. Bis er Anfang 2010 auf die Welt kam, haben sie die Aids-Erkrankung der Mutter verschwiegen, HIV-Tests bei dem Baby abgelehnt. Und als seine Infizierung feststand, erste Therapien anschlugen, haben ein Schlosser (50) und seine Frau (37) den Säugling aus der Klinik geholt und zu einem Wunderheiler gebracht. Jetzt ist der Junge schwerstbehindert, gilt als Pflegefall. Dafür wurde der 50-Jährige aus Neuss vom Amtsgericht gestern zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt. Die Mutter kam nicht zum Prozess. Sie lebt wohl im Ausland.

Ohne sichtbare Regung nahm der Schlosser, der gestern allein auf der Anklagebank saß, die ungeheuerliche Anklage hin. Das Paar von der Elfenbeinküste hatte seit 2003 zwei gesunde Kinder gezeugt. Doch als die Mutter zum dritten Mal schwanger wurde, hielt sie ihre Aids-Infizierung geheim. Dabei betonte ein Kinderarzt (55) der Uni, dass die Chancen für das Baby „sehr gut“ gewesen wären — wenn vor und nach der Geburt die Infizierung bekannt gewesen wäre. Bei medizinisch vorbereiteten Müttern habe es seit 2005 an der Uni keinen Fall gegeben, in dem Neugeborene auch infiziert gewesen wären. Doch monatelang hätten die Eltern Aids-Test verweigert, schwere Schäden bei dem Kleinen in Kauf genommen. Und als es der Schulmedizin trotzdem gelang, erste Behandlungserfolge bei ihm zu erzielen, wurde er von den Eltern im März 2012 eigenmächtig zu einem Wunderheiler gebracht. Ob der Vater wirklich geglaubt habe, ein „Heiler“ könne Aids mit „altägyptischem Kobra-Gift“ heilen, fragte die Staatsanwältin. Gegenfrage des Vaters: „Können Sie das widerlegen?“

Seine Frau habe an die hiesige Behandlung nicht geglaubt, den Ärzten nicht vertraut. Erst nach Aussagen mehrerer Zeugen ließ der Vater über seinen Anwalt erklären, ihm sei bewusst gewesen, dass der Abbruch der anti-viralen Behandlung im März 2012 „ein großer Fehler war und es tut ihm auch leid“. Dem Kind, das nun in einem Pflegezentrum betreut wird, hilft das nichts mehr. Nach Lungenentzündungen und Hirnschäden ist der Junge zeitlebens auf Intensivpflege angewiesen, kann ohne Hilfe nicht mal essen und trinken. Statt wegen „böswilliger Vernachlässigung“ der Elternpflichten, wie die Anklage zunächst lautete, erging das Urteil gegen den Vater nun wegen „Misshandlung des Schutzbefohlenen durch Quälen“. Auf die Strafe, mit der die Richter der Staatsanwältin folgten, hatte das keinen Einfluss.