Zwischen Liebe und Eifersucht
Bettina Jahnke ist erkennbar eine Hommage an Zadeks Wintermärchen gelungen.
Neuss. Nachdem „Das Wintermärchen“ von William Shakespeare bereits im März seine Premiere am Rheinischen Landestheater (RLT) feierte, gab es am Montag und am Dienstag zwei weitere Vorstellungen im Globe-Theater. Das Shakespeare-Festival wurde damit um ein selten gespieltes Spätwerk bereichert, das RLT-Intendantin Bettina Jahnke inszenierte. Sie wählte dafür die Übersetzung ihres großen Kollegen Peter Zadek, der 2009 starb.
Zadek hatte „Das Wintermärchen“ 1978 in Hamburg auf die Bühne gebracht und für Aufsehen gesorgt. Er erkannte, dass Shakespeare sein Stück nach und nach zerfallen ließ und tat es ihm gleich. Ähnliches erlebten auch die Zuschauer im Globe: Langsam, aber sicher löste sich „Das Wintermärchen“ vor ihren Augen auf.
Zunächst entspinnt sich auf der Bühne ein klassisches Drama, ausgelöst durch die krankhafte Eifersucht des Königs von Sizilien Leontes, der eine Art Bruder von Shakespeares Othello sein könnte. Michael Putschli verleiht seiner Rolle eine Angst einflößende Wut, die sich durch eine unkontrollierbare verbale Gewalt Bahn bricht. Leontes ist besessen von der Idee, dass seine Gattin Hermione (Hergard Engert) und sein bester Freund Polixenes (Henning Strübbe) eine Affäre haben. Hermione wird schließlich der Prozess gemacht.
An dieser Stelle beginnt Regisseurin Jahnke mit der Demontage: Die Gerichtsszene verwandelt sich unerwartet in eine Mischung aus Krawall-Talkshow und Casting-Sendung. Ein Moderator (Georg Strohbach) beleidigt und verlacht die ohnehin schon gepeinigte Hermione, während sie verzweifelt ihren Unschuldsmonolog vorträgt, um anschließend an gebrochenem Herzen zu sterben. Die Struktur des Stückes bricht an dieser Stelle auf.
Im zweiten Teil, der 16 Jahre später spielt, dreht Jahnke konsequent weiter an der Stellschraube des Zerfalls. Immer abgedrehter werden die Szenen, in denen der Balladensänger Autolycus (André Felgenhauer) als Transvestit auf hochhackigen Schuhen über die Bühne stöckelt, ständig ein absurd dimensionierter Plastikfisch durch die Kulisse getragen wird und kuriose Wasserspiele an sexuelle Handlungen erinnern.
Das Geschehen verliert sich zunehmend in unwirklichen, überdrehten Traumwelten, bis schließlich die Wiederauferstehung der tot geglaubten Hermione und ein neues Liebesglück die Welt wieder in ihre Angeln heben.
Bettina Jahnke ist erkennbar eine Hommage an Peter Zadeks Wintermärchen gelungen. Sie hat es verstanden, das Wesen des ungewöhnlichen Shakespeare-Stoffes zu transportieren und dabei gleichzeitig der Inszenierung eine eigene Richtung zu geben. Unterstützt wird sie von einem durchweg engagierten und spielfreudigen Ensemble, aus dem Michael Putschli ein Stück weit herausragt.
Am Ende bleibt als Botschaft: Die Liebe ist es, die uns Menschen vor dem Zerfall rettet.