Stückelmord-Prozess in Duisburg Stückelmord-Prozess: Kronzeuge sagt aus

Mönchengladbach/Duisburg · Im Stückelmord-Prozess schildert der 43-Jährige die letzten Tage und Wochen des Hells Angels Kai M. Dieser soll von Mönchengladbachs Rocker-Boss ermordet worden sein, der zurzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht wird.

Der Angeklagte Francesco G. im Gespräch mit seiner Anwältin. Jetzt sagte der Kronzeuge der Anklage aus.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Wer diesen siebten Verhandlungstag im Prozess um den mutmaßlichen Stückelmord an Rocker Kai M. beobachtete, suchte irgendwann unwillkürlich nach Kameras. Erinnerte der Ablauf doch mehr an eine Fernsehproduktion als an eine Sitzung im Duisburger Landgericht. Der 43-jährige Kronzeuge der Anklage wurde am Mittwoch von drei Personenschützern in den Saal begleitet, um dann zu verkünden: Ohne einen Anwalt sage er hier gar nichts. Bevor es nach einer Pause, in der es eigentlich nur noch um die Planung des nächsten Termins gehen sollte, zur Überraschung aller Beteiligten förmlich aus ihm heraussprudelte.

Der Mönchengladbacher, selbst erst seit zwei Wochen wieder auf freiem Fuß, schilderte, wie er die Angeklagten und Kai M. kennenlernte und was alles bis zur verhängnisvollen Nacht zum 10. Januar 2014 geschah. Der Nacht, in der mutmaßlich das Leben von Kai M. endete. Weil seine Rocker-Kollegen den 32-jährigen Duisburger für einen V-Mann hielten. Erst Monate später wurden sein Arm am Duisburger Rheinufer und sein Torso im Homberger Rheinpreußenhafen gefunden, sein einbetonierter Kopf sogar erst 2020.

In den Wochen vor der Tat habe Kai M. bei ihm in Mönchengladbach gewohnt, sagte der 43-jährige Kronzeuge am Mittwoch. Bekannte bei den Hells Angels hatten ihn darum gebeten, sie müssten ihm dadurch bei der Flucht helfen. Weitere Fragen habe er damals dazu nicht gestellt. Die Mutter des Zeugen habe für Kai M. gekocht und die Wäsche gemacht. Nur Frauen habe Kai M. nicht mit nach Hause bringen dürfen, denn die Mutter sei streng religiös. Immer wieder betont der Mönchengladbacher, der zu Beginn seiner Aussage sichtlich nervös wirkt, wie wenig er sich bei alledem gedacht habe.

Erst in den Tagen vor der mutmaßlichen Tat mehrten sich die Anzeichen, dass sich etwas anbahne. Erst bittet Ramin Y., der Boss der Mönchengladbacher Rocker, den 43-Jährigen, die Telefonate von Kai M. zu überwachen. Er sitzt anders als sechs seiner mutmaßlichen Komplizen nicht auf der Anklagebank, sondern hält sich nach aktuellem Stand im Iran auf. Außerhalb der Möglichkeiten der deutschen Justiz.

In der Badewanne des Kronzeugen wurde der Beton angemischt

Später werden sowohl Kai als auch der Zeuge von Planungsgesprächen ausgeschlossen. Für die spätere Tatnacht soll der 43-Jährige einen abgelegenen Ort für ein „Treffen“ organisieren und wird im Mönchengladbacher Industriegebiet fündig. Währenddessen werden in seinem Zuhause die nötigen Vorbereitungen getroffen.

„Die haben den Jungen seinen eigenen Beton mischen lassen. Der Kai hat mitgeholfen. Verstehen Sie. Ich habe keine Wörter“, sagt der 43-Jährige am Mittwoch über die Szenen, die sich am 9. Januar 2014 im Anbau seines Zuhauses abgespielt haben. Als er das Haus betritt, sieht er, wie mehrere Hells Angels in seiner Badewanne den Beton vorbereiten. Der Beton, in dem nach der Tat der Kopf von Kai M. verschwindet. Angeblich wollen sie so eine Waffe loswerden, so sollen es die Männer dem 43-Jährigen erklärt haben.

„Ich habe ihn als netten Menschen kennengelernt“, sagt der Zeuge über Kai M. Dass er an dessen Tod mitarbeitete, habe er nicht geahnt. Auch nicht, als klar wurde, dass nur Kai M., Ramin Y. und der angeklagte Francesco G. bei dem angeblichen Treffen dabei sein dürften und alle anderen nach Hause geschickt wurden. Der 43-Jährige habe sich währenddessen zu Hause hingesetzt und einen Joint geraucht.

Irgendwann, „ich weiß nicht mehr, wie lange das gedauert hat“, kamen Ramin Y. und Francesco G. zurück. Blutverschmiert und ohne Kai M., so sagt es der Zeuge am Mittwoch aus. „Kai ist gefallen“, hätten sie auf die Frage geantwortet, was passiert sei. Die beiden hätten sich dann bei ihm gewaschen und frische Kleidung seiner Brüder angezogen. Dann habe der 43-Jährige noch einmal nachgefragt, wo denn Kai sei. „Wir haben ein ‚Out in Bad Standing‘ gehabt“, habe Ramin Y. geantwortet. Ein Rocker-Slang, der so viel bedeutet wie „unehrenhaft entlassen“. Der Zeuge, so sagt er vor Gericht, habe nicht gewusst, was sie damit meinten.

Mit diesem schon fast „Netflix“-tauglichen Folgenende, wie ein Anwalt bemerkte, endete die Vernehmung an diesem Tag. Mehr, so betonte der Zeuge, wolle er nun wirklich nicht mehr ohne Rechtsbeistand sagen.

Da dieser wohl bis zum eigentlich nächsten Termin am Freitag nicht zu organisieren sein wird, soll die Aussage des 43-Jährigen daher erst Anfang September fortgesetzt werden.